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Unter dem Georgskreuz

Unter dem Georgskreuz

Titel: Unter dem Georgskreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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die
Reaper
hatte Wind unter den Röcken und begann die Verfolgung.«
    Leise fragte Bolitho: »Überraschte Sie das – so kurz vor dem Ziel?«
    »Nein, ich denke nicht.«
    Bolitho meinte: »Also Schiff gegen Schiff! Das ist wichtig. Das ist mir wichtig und wahrscheinlich jedem von uns.«
    Der hohle Blick blieb auf ihm haften. Bolitho hörte fast des anderen Gedanken, spürte, wie er Richtiges und Falsches abwog, das vielleicht zu einem Kriegsgerichtsverfahren führen könnte. Dann kam er fast sichtbar zu einer Entscheidung.
    »Der Kommandant war neu auf der
Reaper
. Und dies war seine erste Patrouille weitab vom Geschwader!«
    »Kannten Sie ihn?« Vielleicht keine faire, aber eine wichtige Frage.
    »Ich hatte von ihm gehört, Sir!« Er machte eine Pause.
    »
Reaper
hat ja einen besonderen Ruf. Vielleicht wollte er ihr etwas von dem zurückgeben, was sie verloren hatte.«
    Die Geräusche im Schiff schienen zu verstummen, als Borradaile über die Stunden berichtete, in denen sich
Reapers
Schicksal entschieden hatte.
    »Es waren zwei Fregatten, Sir. Französische Bauart, nach meiner Einschätzung, aber unter der Flagge der Yankees. Sie hatten die Brigantine als Köder geschickt. Und als dann die Reaper auf den anderen Bug ging, um sie zu verfolgen, tauchten sie auf.« Er fuhr sich über die knochigen Fingergelenke. »Reaper war schon viel zu weit nach Lee gelaufen, um auf ihre Position zurückzukehren. Sie mußten sich ins Fäustchen gelacht haben, so leicht war das Spiel.«
    Bolitho sah Tyackes steinernes Gesicht, das Kinn auf die Faust gestützt.
    »Ich konnte nichts tun, Sir«, fügte Borradaile hinzu, »wir hatten kaum Wind. Alles was wir konnten, war zusehen.«
    Bolitho wartete schweigend, um die Erinnerung des Mannes nicht zu stören. So etwas geschah immer mal wieder. Ein junger Kapitän, erpicht auf eine Prise, egal wie klein, und darauf bedacht, seinen Männern irgend etwas zu beweisen. Er wußte von den bitteren Gefühlen auf der
Reaper
nach der Schlacht, als ihr tapferer Kommandant James Hamilton von der ersten Breitseite getötet worden war. Es fiel einem erfahrenen und gefährlichen Gegner leicht, jemanden für ein paar Augenblick abzulenken.
Mir ging’s ja fast genauso, als ich jung war…
Borradaile seufzte schwer. »
Reaper
halste, als ihr Kommandant merkte, was los war. Ich sah mit unserem SignalTeleskop zu – ich dachte, ich müßte das tun. Verrückt, dachte ich. Die
Reaper
hatte wirklich keine Chance. Ein kleines Schiff der sechsten Klasse gegen zwei Riesen – ich schätze, jeder mit vierzig Kanonen. Aber was blieb ihm übrig? Was würden wir getan haben, fragte ich mich?«
    »Haben sie sofort das Feuer eröffnet?«
    Borradaile schüttelte den Kopf. Plötzlich schien sein grobes Gesicht tieftraurig. »Es fiel überhaupt kein Schuß. Kein einziger. Die
Reaper
hatte ein paar Kanonen ausgerannt, aber nicht alle. Da setzte der Yankee, der am nächsten dran war, eine weiße Flagge, um zu verhandeln, und ließ ein Boot zu Wasser. Das ruderte zur
Reaper
rüber.«
    Bolitho konnte sich alles vorstellen: drei Schiffe, die anderen nur Zuschauer.
    »Dann verging eine Stunde, vielleicht nicht ganz eine, und dann strich die
Reaper
ihre Flagge.« Wütend spuckte er aus. »Ohne auch nur den kleinen Finger erhoben zu haben!«
    »Kampflos ergeben?« Tyacke lehnte sich ins Licht vor.
    »Kein Widerstand?«
    Der Kommandant der
Alfriston
schien ihn jetzt zum ersten Mal zu bemerken und wirkte mitleidig, als er die ganze Entstellung des Gesichts bemerkte. »Es war Meuterei!« sagte er.
    Das Wort hing in der feuchten Luft wie eine grobe Obszönität.
    »Das nächste, was ich sah, war ein Boot, das mit einigen der ›loyalen‹ Männer die
Reaper
verließ.« Er drehte sich wieder zu Bolitho um. »Und mit ihrem Kapitän!«
    Bolitho wartete. Dies hier war schlimm, schlimmer als er befürchtet hatte.
    Langsam fuhr Borradaile fort. »Ehe die
Reaper
ausscherte, wurden Männer ausgepeitscht. Ich traute meinen Augen nicht.« Das klang ablehnend und entsetzt. Dieser Mann hatte es nicht leicht gehabt, aus der Mannschaft aufzusteigen bis zu einem eigenen Kommando. Er hatte auf seinem langen Weg sicherlich jedes Leiden und jede Brutalität erfahren, die das Leben unter Deck kennzeichnete.
    »War er tot?«
    »Nein, noch nicht, Sir. Die Yankee-Offiziere, die als Unterhändler übergesetzt hatten, hatten die Männer der
Reaper
eingeladen, zu ihnen überzulaufen. Ich hörte das von ein paar Leuten, die mit dem Boot davonrudern durften.

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