Unter dem Georgskreuz
Haus einen Augenblick stehen und fragte sich ungeduldig, warum er hierher gekommen war. Wieder ein Empfang! Kaufleute, höhere Offiziere der Garnison und andere, die immer irgend jemanden kannten, der bedeutend war und über Einfluß verfügte. Er hätte eine Entschuldigung finden können, um an Bord der
Valkyrie
zu bleiben. Doch er wußte, er war viel zu ruhelos, um allein in seiner Kammer zu bleiben oder sich eine Stunde mit seinen Leutnants zu unterhalten.
Ihn überraschte, wie unbewegt Keen diese Empfänge und Diskussionen durchstand. Adam war aufgefallen, wie freundlich und ohne Anstrengung Keen mit all den bedeutenden Leuten umging und dabei nie vergaß, was das Beste für seinen Auftrag und seine Aufgabe war.
Adam drehte sich um und sah sich den großen natürlichen Hafen an, den die Indianer einst
chebucto
genannt hatten. Er beeindruckte ihn wie kaum ein zweiter. Zwischen dem glitzernden, großen Bedford Basin und der fernen Enge lagen hier große und kleine Schiffe, und ein Wald von Masten bewies Halifax’ wachsende strategische Bedeutung. Er hatte gehört, daß ein General Halifax als Teil des großen defensiven Quadrats beschrieb, zu dem neben England auch Gibraltar und die Bermudas zählten. Admiral Cornwallis hatte Klugheit und Weitsicht bewiesen, als er vor mehr als siebzig Jahren hier Fuß faßte und die ersten Befestigungsanlagen errichtete. Jetzt beherrschte die Zitadelle auf der Berghöhe den Hafen. Und außerdem schützten ihn Martello-Türme, die man eher im südlichen England und in der Bretagne fand. Mit ihren kleineren Batterien würden sie jeden Feind abschrecken, der verrückt genug war, um eine Landung zu versuchen.
Er sah nach drüben, wo die Kriegsschiffe ankerten. Er hatte nicht erwartet, daß ihn seine Pflichten als Flaggkapitän so frustrieren würden. Die
Valkyrie
hatte den Hafen bisher kaum verlassen und dann auch nur, um einen Geleitzug mit weiteren Soldaten hereinzubegleiten. Wenn sie noch mehr Truppen hier konzentrierten, würde die Halbinsel unter ihrem Gewicht versinken. Über den Krieg in Europa gab es wenig Neues. Die Straßen auf dem Festland waren aufgeweicht, einige immer noch gänzlich unpassierbar. Er sah das Licht über dem Hafen schwächer werden, die Laternen der kleinen Boote bewegten sich wie Insekten. Hier sah es besser aus als an Land. Auf dem Weg vom Anleger hierher hatte er sogar die Sonne im Gesicht gespürt.
Zögernd wandte er dem Hafen den Rücken zu. Die große Doppeltür hatte sich leise geöffnet, als habe man sein Erscheinen erwartet.
Ein schönes altes Haus. Nicht »alt« wie alte englische Häuser, aber gut proportioniert und etwas fremd. Wahrscheinlich war die Bauweise französisch beeinflußt. Er reichte seinen Hut einem beflissenen Diener und schritt auf die große Empfangshalle zu. Überall Uniformen, die meisten rot. Doch auch ein paar grüne mischten sich unter sie, die örtliche Leichte Infanterie. Wahrscheinlich hatte ein reicher Handelsherr dieses Haus erbaut. Jetzt wurde es fast ausschließlich von Leuten benutzt, die einer Welt angehörten, die er kaum kannte und auch nicht kennenlernen wollte. In ihr wanderten Männer wie Benjamin Massie auf dem schmalen Grat zwischen Politik und den Belohnungen des Kriegs. Er machte kein Hehl aus seiner Ungeduld, daß immer noch Krieg zwischen England und Amerika herrschte. Er nannte ihn unpopulär, so als sei er lediglich unbequem und nicht eine bittere Auseinandersetzung zwischen zwei Nationen.
Adam sprach mit einem Lakaien, während seine Blicke über die Versammelten huschten. Keen mit seinen hellen Haaren entdeckte er am anderen Ende bei Massie. Auch ein paar Damen waren in der Halle. Das war vor kurzem noch nicht üblich gewesen. Ja, er hätte sich eine Entschuldigung ausdenken und an Bord bleiben sollen.
»Kapitän Adam Bolitho!«
Einen Augenblick herrschte Stille, mehr aus Überraschung über seine Verspätung denn aus Neugier. Jedenfalls hatte der Lakai seinen Namen korrekt ausgerufen.
Er durchmaß die Halle an einer Seite. Hier hingen schwere Samtvorhänge, und zwei große Feuer brannte n in Kaminen. Diese Häuser waren für die harten Winter in Neuschottland gebaut worden.
»Endlich sind Sie da, Kapitän!« Benjamin Massie schnippte mit seinen schweren Fingern, und wie von Zauberhand erschien ein Tablett mit Rotwein.
»Ich dachte schon, Sie hätten uns vergessen.« Er lachte laut. Wieder fielen Adam seine kalten Augen auf.
»Geschäfte des Geschwaders, Sir!« erklärte er.
Massie
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