Unter dem Georgskreuz
Kameraden schien es auch ihm, als kenne er den Admiral persönlich.
Der Kapitän lächelte. »Nun, wir werden’s ja erleben.« Schrill war oben aus dem Mast der Midshipman zu hören. »Signal von der
Alfriston
, Sir.
Segel in Sicht im Nordwesten
.« Eine kleine Pause, so als habe ihn sein eigener Lärm erschreckt. »Eine Brigantine, Sir!«
Der Kapitän rieb sich kurz die Hände, eine seltene Gefühlsäußerung. »Keine von uns, oder unsere Depeschen sind falsch.«
Er drehte sich um, als Fallen und Leinwand sich bewegten. Der Wimpel im Mast wehte wiederbelebt aus.
»Der Master hatte recht, Sir«, rief der Erste. »Der Wind kommt wirklich wieder.«
Der Kapitän nickte. »Rufen Sie die Boote zurück, und nehmen Sie sie wieder an Deck. Wir liegen gut in Luv von Freund oder Feind. Also werden wir eine weitere Prise auf unserer Liste eintragen, oder?« Er legte die Hand über die Augen und sah, wie die beiden Boote die Leinen loswarfen und zum Schiff zurückpullten. »Etwas für die Mitgift Ihrer Schwester!«
Der schnelle Stimmungswechsel überraschte den Ersten Offizier. Es würde jedenfalls die Monotonie dieses Schneckentempos brechen.
Er sah zur Seite, als der Kapitän nachdenklich fortfuhr: »Setzen Sie die Bestrafung eine Stunde früher an. Das beschäftigt sie und erinnert sie an ihre Pflichten.«
Pfeifen schrillten. Männer rannten, um die tropfenden Boote hochzuhieven und einzuschwenken. Andere liefen an die Webleinen, warteten auf den Befehl, mehr Segel zu setzen. Die Leinwand flappte kräftiger und blähte sich dann im Wind. Der Leutnant sah unter sich das Meer, auf dem die Schatten von
Reapers
Masten und Segeln jetzt unscharf wurden wie zottelige Pelze. Der Rumpf legte sich erst leicht und dann deutlicher schräg unter dem Druck von Ruder und Wind.
Auf Augenblicke wie diesen wartet jeder Offizier auf einer Fregatte. Doch ein erhebendes Gefühl stellte sich bei ihm diesmal nicht ein.
Kapitän James Tyacke klemmte sich den Hut unter den Arm und wartete darauf, daß der Posten der Seesoldaten ihn eintreten ließ. Er sah hinter der Leinwandtür einen Schatten vorbeieilen. Der stets wachsame Ozzard wollte schon genau wissen, wer als Besucher kam.
Bolitho saß am Tisch, als Tyacke eintrat. Zwei Bücher, in grünes Leder gebunden und mit vergoldeten Rücken, hielten ein paar Seekarten mit handschriftlichen Anmerkungen auf der Platte fest. Tyacke wußte, daß sie zu der Sammlung gehörten, die Lady Catherine Somervell dem Admiral an Bord geschickt hatte. So war sie auch hier, viele tausend Meilen von England entfernt, diesem ruhelosen und sensiblen Mann nahe.
»Ah, James!« Er sah auf und lächelte warm. »Ich hatte sehr gehofft, daß Sie mit mir zu Abend essen würden. Und Ihre Probleme wenigstens einmal Ihren Leutnants überlassen würden.«
Tyacke sah an ihm vorbei auf die blaugraue ungebrochene Weite des Ozeans, die nur gelegentlich durch lange, gläserne Roller gehoben wurde. Er sah sie alle im Geist: die
Indomitable
im Zentrum und die beiden Fregatten
Virtue
und
Attacker
jeweils acht Seemeilen dwars entfernt. Bei Beginn der Dämmerung würden sie näher kommen. In dieser Formation konnten sie einen gewaltigen Abschnitt von Horizont zu Horizont beobachten. Tyacke konnte sich die Kommandanten vorstellen, und er wußte, wie Bolitho die Stärke jedes Schiffs unter seinem Kommando einschätzte. Weit nach Luv lief wie ein treuer Terrier die Brigg Mantel und ergänzte so die kleine, sehr effektive Flottille.
»Ich merke an Ihrem Ausdruck, James, daß Sie die Bedeutung dieses Tages vergessen haben«, sagte Bolitho.
»Nur einen Augenblick lang, Sir Richard!« Eine winzige Stille. »Vor zwei Jahren übernahm ich das Kommando über dieses Schiff.« Und dann sagte er leise, als füge er etwas ganz Persönliches hinzu: »Über die gute alte
Indom
.«
Bolitho ließ ihn sich setzen. Das war wie ein Signal. Ozzard kam aus der Pantry. Der Flaggkapitän würde eine Weile bleiben.
»Wir haben viel erledigt in dieser Zeit«, sagte Tyacke. Bolitho schaute auf die ledergebundenen Bücher und erinnerte sich, wie sie sich in der Kutsche in Plymouth verabschiedet hatten. »Manchmal möchte ich gern wissen, wo das alles enden wird. Oder ob wir durch Abwarten irgend etwas gewinnen; durch dieses ewige Warten, daß der Gegner seine Zähne endlich zeigt.«
»Es wird schon werden. Ich spüre es genau.« Er zögerte einen Augenblick, als ob ihn der nächste Gedanke immer noch schmerzte. »Als ich die
Larne
kommandierte, hatten
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