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Unter dem Georgskreuz

Unter dem Georgskreuz

Titel: Unter dem Georgskreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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die Sklavenhändler den ganzen Ozean zur freien Verfügung. Die armen Schwarzen, die sie als Fracht nach Westindien oder Amerika transportierten, konnten sie überall aufnehmen oder über Bord gehen lassen, wenn wir oder ein anderes Patrouillenschiff in die Nähe kam. Aber immer wieder…« Er lehnte sich in seinem Stuhl vor. Sein vernarbtes Gesicht schien klar und abschreckend im Sonnenlicht. »Ich wußte einfach manchmal, was kommen würde. So wie Sie das mit der
Unity
lange vorher ahnten. Dieser sechste Sinn, Instinkt, meinetwegen – oder wie immer Sie es nennen wollen.«
    Bolitho spürte die Kraft dieses Mannes, seinen tiefverwurzelten Stolz auf das, was er leisten konnte. Das war nichts Selbstverständliches, keine Täuschung, sondern wahr und faßbar wie der alte Säbel auf seinem Gestell. Es war wie damals im September, als sie an Deck auf und ab gegangen waren und Splitter der Planken um sie herumwirbelten. Scharfschützen wollten die beiden Gestalten da unten erledigen.
    Auch Avery war an jenem Tag mit ihnen auf und ab gelaufen. Wenn er auf diesem Schiff einen weiteren Freund außer Bolitho hatte, dann war es Tyacke. Er fragte sich, ob Avery seine Londoner Erlebnisse dem anderen wohl mitgeteilt hatte, und wußte dann, daß dies nicht geschehen war. Zwei ganz unterschiedliche Männer, jeder ganz anders, jeder sehr zurückgezogen. Nein, Avery würde nichts mit Tyacke diskutieren und ganz bestimmt nicht, wenn eine Frau im Spiel sein sollte.
    Unbewußt hatte er den Band mit den Sonetten Shakespeares berührt. Sie hatte diese Ausgabe sorgfältig ausgewählt, denn die Schrift war sehr deutlich und leicht zu lesen.
Sofern von allem.
Frühling in den westlichen Grafschaften, Bachstelzen am Strand, wohin sie gewandert waren, Mauersegler und Dohlen – Schönheit und Leben waren ins Land zurückgekehrt.
    Tyacke beobachtete ihn bewegt. Vielleicht war es besser, wenn man allein blieb, wenn niemand einem am Herzen lag, einem das Herz zerriß. Wenn es keinen Schmerz gab. Dann erinnerte er sich, wie Bolithos Dame an Bord gekommen war, die Seite hinaufgeklettert war wie jede andere Teerjacke – unter dem Jubeln der Männer. Nein, es war nicht wahr. Jemanden zu haben, zu wissen, daß jemand da war… Dann schob er solche Gedanken zur Seite: Für ihn würde es das nie geben.
    »Ich gehe besser wieder nach oben, um mir mal den Kanonendrill am Nachmittag anzuschauen, Sir.« Sein Kopf berührte die Deckenbalken. Er schien das nicht zu bemerken. Bolitho wußte, daß Tyacke nach seiner Zeit auf der Larne die
Indomitable
wie ein Palast vorkommen mußte.
    »Bis heute abend also«, sagte er.
    Doch Tyacke starrte auf die leichte Tür, hob die Hand, als höre er etwas. Dann klangen Schritte, das Knallen des Gewehrkolbens des Postens und sein Ruf: »Der Erste Offizier, Sir!«
    Leutnant John Daubeny trat in die Kajüte; seine Wangen waren von der Salzluft gerötet.
    Tyacke sagte: »Ich hörte einen Ruf aus dem Mast. Worum geht’s?«
    Bolitho war plötzlich angespannt. Er selber hatte den Ruf nicht gehört. Tyacke war Teil seines Schiffes geworden, war das Schiff. Obwohl er damals das Kommando nicht haben wollte, als man es ihm angetragen hatte, waren das Flaggschiff und er eins geworden.
    »Signal von der
Attacker
, Sir.
Segel in Sicht im Nordwesten.
Eine Brigg, eine von uns.« Er zuckte ein bißchen unter Tyackes festem Blick. »Sie sind sich ganz sicher.«
    Tyacke antwortete knapp: »Halten Sie mich auf dem laufenden. Stellen Sie ein paar gute Signalgasten zusammen, und bitten Sie Mr. Carleton, sich bereitzuhalten.«
    »Das habe ich bereits erledigt, Sir!«
    Die Tür fiel hinter ihm zu, und Bolitho sagte: »Sie haben sie gut gedrillt, James. Die Sichtung, was halten Sie von ihr?«
    »Wir erwarten keinen Kurier, Sir. Nicht hier. Und noch nicht.« Er dachte laut nach. »Bei den Bermudas wäre es etwas anderes. Da sammelt sich ein Konvoi, oder sollte es jedenfalls.«
    Bolitho teilte seine Ansicht und erinnerte sich, wie er sich selber fühlen würde. Am liebsten wäre er an Deck, doch er wußte, daß seine Offiziere es als mangelndes Vertrauen empfinden würden. Oder seine Anwesenheit sogar für Besorgnis hielten. Er erinnerte sich sehr lebhaft an seine eigene Zeit als Kommandant eines Schiffes – und heute war nichts anders. Wenn die Wachen wechselten oder alle Mann zum Reffen nach oben gepfiffen wurden, protestierte alles in ihm gegen seine Abwesenheit, dagegen, daß er sich fernhielt von dem Schiff, das ihm diente.
    Der Posten

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