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Unter dem Georgskreuz

Unter dem Georgskreuz

Titel: Unter dem Georgskreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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sie wie ein einsamer Meeresvogel hoch oben im gleichen Tempo begleitete, war seine eigene Flagge: das Georgskreuz. Sie wehte Tag und Nacht, solange er den Oberbefehl hatte. Er dachte an Catherines Brief in seiner Jackentasche und hörte fast ihre Stimme:
Mein Admiral von England.
    Er schmeckte immer noch den bitteren Kaffee auf seiner Zunge und fragte sich, warum er sich nicht zum Essen gezwungen hatte. Aus Anspannung, aus Unsicherheit vielleicht. Aber aus Furcht? Er lächelte. Dieses Gefühl kannte er kaum noch.
    Gestalten bewegten sich um ihn herum. Jeder achtete darauf, ihn in seinem Alleinsein nicht zu stören. Er erkannte Isaac York, einen Kopf größer als seine Gehilfen. Der Wind fuhr durch sein schiefergraues Haar. Ein guter und starker Mann. Bolitho wußte, daß er Scarlett hatte helfen wollen, als dessen ganze Schulden bekannt wurden. Die weißen Kniehosen der Leutnants und Midshipmen waren in der Dämmerung deutlich zu erkennen. Er nahm an, jeder bereitete sich auf seine Weise auf das vor, was ihnen heute widerfahren könnte.
    Er trat an das Kompaßhäuschen und blickte auf die schwankende Rose. Nordost bei Nord und immer noch ein stetiger achterlicher Wind von Backbord. Die Männer, die hoch oben arbeiteten, suchten nach geschamfiltem Gut und verklemmten Blöcken mit der traumhaften Sicherheit erfahrener Seeleute.
    Tyacke hielt sich in Lee. Seine schlanke Figur stach deutlich von dem hellen Wasser ab, das vom Bug nach achtern schäumte. Ein langer Arm bewegte sich, um einen Punkt deutlich zu machen, und er konnte sich Daubeny vorstellen, der jedes Wort aufsaugte. Sie glichen einander wie Tag und Nacht, doch die Mischung schien die richtige: Tyacke war besonders begabt, seinen Untergebenen seine Wünsche mitzuteilen ohne unnötigen Unwillen oder Sarkasmus. Anfangs hatten sie Angst vor ihm gehabt, waren abgeschreckt durch die fürchterlichen Narben: Dann hatten sie derlei hinter sich gelassen und waren eine Mannschaft geworden, auf die man stolz sein konnte.
    Er hörte einen Midshipman mit seinem Freund flüstern und sah sie nach oben blicken. Er legte die Hand über die Augen und starrte mit ihnen nach oben auf seine Flagge. Das rote Kreuz war plötzlich hart und hell im ersten Licht des Sonnenaufgangs.
    »An Deck!« Carleton war laut und deutlich zu hören. Er benutzte ein Sprachrohr. »Segel voraus an Backbord.« Eine Pause. Bolitho ahnte, daß der junge Midshipman die Meinung des Ausgucks hören wollte. Tyacke legte immer sehr viel Wert auf die Auswahl seiner Ausguckleute. Es waren immer erfahrene Seeleute. Viele von ihnen waren auf den Schiffen, auf denen sie dienten, alt geworden.
    Wieder war Carleton zu hören. »Es ist die
Attacker
, Sir!« Er klang fast enttäuscht, daß dieses nicht die erste Sichtung des Gegners war. Die andere Fregatte war ein kleineres Schiff der sechsten Klasse mit ganzen sechsundzwanzig Kanonen. Bolitho runzelte die Stirn. So viele wie die
Reaper
.
    Aber sie glich der
Reaper
in nichts. Er sah den Kommandanten der
Attacker
deutlich vor seinem inneren Auge. George Morrison war ein zäher Mann aus dem Norden, stammte von der Tyne. Kein Sadist. Sein Strafbuch war eines der saubersten im Geschwader.
    »Er wird auch gleich die
Virtue
sehen, Sir«, meldete sich Avery.
    Bolitho merkte, wie das erste Licht ihm die Schatten aus dem Gesicht trieb.
    »Vielleicht. Wir könnten uns in der Nacht verloren haben. Aber nicht für lange.«
    Er wußte Allday in der Nähe. Er stand fast dort, wo sein Sohn gefallen war.
    Er drängte solche Gedanken weg. Jetzt ging es um heute. Attacker war auf der richtigen Position oder würde es bald sein, wenn sie erst einmal selber das Flaggschiff ausgemacht hatte. Virtue, die zweite Fregatte, trug sechsunddreißig Kanonen. Ihr Kommandant, Roger M’Cullom, ähnelte im Charakter Dampier, der die Zest geführt hatte, ehe Adam sie übernahm. Ein Tausendsassa, sehr beliebt, aber auch ohne Skrupel. Ob er damit seine Leute oder sich selber beeindrucken wollte – es blieb ein gefährlicher, ja möglicherweise sogar ein tödlicher Makel.
    Sam Hockenhull, der Bootsmann, war nach achtern gekommen, um etwas mit dem Ersten Offizier zu besprechen. Bolitho merkte, wie er den Kontakt mit Allday vermied, der ihm immer noch vorwarf, seinen Sohn aufs Achterdeck geschickt zu haben, wo er gefallen war. Das Achterdeck und die Hütte waren beliebte Ziele der feindlichen Scharfschützen und im Nahgefecht bei den Drehbassen. Hier liefen alle Kommandofäden zusammen, alles begann

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