Unter dem Herzen: Ansichten einer neugeborenen Mutter (German Edition)
als Frischmutter verfüge über, wenn auch weitgesteckte, Grenzen der erträglichen Peinlichkeit.
In der Runde mit mir sitzt der Comedian Michael Mittermeier, der ein Buch namens «Achtung Baby!» geschrieben hat. Direkt neben mir sitzt seine Frau, die eine Platte aufgenommen hat.
Sie berichtet davon, wie ihre zweijährige Tochter ihr Leben bereichert, wie toll es ist, ein Kind zu haben, ins Studio zu gehen, kreativ tätig sein zu können, während ihr Mann dann auch mal zurücksteckt.
«Man darf den Künstler in sich nicht sterben lassen», sagt der Herr Mittermeier.
Ich berichte von akuter Verdummung, Konzentrationsschwierigkeiten, wie ich neulich beim Friseur eingeschlafen bin und mich als Aktivitätendecke verkleidete, um ein paar Minuten arbeiten zu können.
Nein, das könne sie nicht bestätigen, sagt Frau Mittermeier milde lächelnd. Ihr Kind sei ein uneingeschränkter Zugewinn. Im Tonstudio könne sie völlig abschalten und sich ganz der Kunst hingeben.
Gerade will ich sie fragen, was die Mittermeiers im Monat für Kinderbetreuung ausgeben, und darauf hinweisen, dass ihr Leben womöglich nicht der Realität der Mehrheit deutscher Mütter entspricht, als Markus Lanz mir freundlich zulächelt und sagt: «Ihr Baby schreit.»
Ich lächele freundlich zurück und halte das für einen recht lustigen Scherz. Vielleicht will er mich auch loswerden, weil ich nicht seinen Vorstellungen von einem gelungenen Gast entspreche.
«Nein, wirklich, Ihr Baby schreit, und die Regie bittet Sie, kurz rauszukommen.»
Da sieht man aber eine mollige Mama mit wehendem Haar aus dem Studio eilen!
Kathrin reicht mir den jämmerlich schreienden Schlominsky.
«Tut mir leid. Er war nicht zu beruhigen. Seit zehn Minuten sage ich der Redakteurin, sie soll dich holen. Aber sie hat sich geweigert, weil die Sendung gerade so gut liefe. Ich musste sie regelrecht bedrohen, bis sie endlich Bescheid sagte.»
Im Nachhinein denke ich, das Interessanteste an der Sendung war mein Still-Abgang. Immerhin kann ich dem Schlom in zehn Jahren ein Foto zeigen, auf dem er glücklich auf dem Arm von Markus Lanz sitzt, und davon berichten, wie er eine Fernsehsendung zusammengebrüllt hat.
21. Oktober
Schlomenberger wird heute ein halbes Jahr alt, und für uns beide ist es ein großer Tag.
Dieser zarte, reine, kleine Körper, dieses überirdische, von allem Weltlichen bisher unberührt gebliebene Wesen, diese unbefleckte Speiseröhre, dieser engelgleich sauber strahlende Darm: Das alles wird heute entweiht.
Nun ja, ich könnte es natürlich auch weniger pathetisch formulieren, etwa so: Mein Junge wird heute sechs Monate alt und bekommt zum ersten Mal Brei. Bio-Kürbisbrei, um genau zu sein. Selbstverständlich nicht selbstgekocht. Für mein Baby nur das Beste!
Ich traue meinen Kochkenntnissen nicht über den Weg, in Sachen Kürbisgemüse geht meine Erfahrung gegen null, und ich möchte meinen Sohn nicht bei seiner ersten Begegnung mit einem Nahrungsmittel für immer traumatisieren.
Ich meine, man muss sich das mal vorstellen, da hat einer sein Leben lang bisher nur Muttermilch gesüffelt, schön fein körperwarm, immer frisch direkt rein ins Minimaul. Und mit einem Mal gibt es Kürbis vom Löffel. So roh und derb, so profan und unvermittelt.
Ach, mein armer kleiner Engel!
Ich versetze mich in die Lage meines Babys und nähere mich ihm mit Respekt, gespielter Lässigkeit und einem breigefüllten Löffel in meinen schweißnassen Händen.
Will noch beruhigende Worte formulieren, ein ablenkendes Liedchen anstimmen – da ist es bereits passiert.
Schlurp!
Dieses Kind schaufelt den Brei in sich hinein, als würde es sich seit seiner Geburt auf den Tag freuen, an dem es endlich mal was Ordentliches zu essen gibt. Eigentlich auch kränkend Mutter und Muttermilch gegenüber. Mein Mann meint, das würde ihn überhaupt nicht wundern. Zurückhaltung beim Essen sei in der Tat das Letzte gewesen, womit er bei einem Kind, an dessen Erzeugung eine Kürthy beteiligt ist, gerechnet hätte. Ich solle bloß mal an den zweiten Geburtstag des Nachbarsjungen Liam denken, an dem ich den Kindern in wenigen Minuten sämtliche frischgebackenen Waffeln weggefressen hätte.
Von meinem Vater erzählt man sich, er habe sich nachts regelmäßig in die Küche geschlichen, um dort Nutella direkt aus dem Glas zu konsumieren.
Es stimmt schon, wir Kürthys sind gute Esser.
Mit einer Mischung aus Wehmut und Stolz betrachte ich das leere Gläschen. Heute beginnt der Abschied
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