Unter dem Herzen: Ansichten einer neugeborenen Mutter (German Edition)
Pütz, Flavio Briatore und mein Freund Heiner ja noch eine ganze Weile erhalten bleiben.
Hauptsache, das kognitive System ist ausbalanciert, sag ich immer.
Die Anziehung zwischen Ähnlichen reicht laut Studien sogar bis zu den Vornamen von Paaren: Wenn die mit demselben Buchstaben anfangen, ist die Beziehung stabiler.
Mein Mann betritt ohne Vorwarnung das Arbeitszimmer, sieht mich als «Activity Center» verkleidet und sagt: «Ich gehe mal ’ne Runde mit Schlömchen spazieren. Der arme Kerl ist ja ganz verstört.»
Der Schlom seufzt erleichtert «Raghööhl» und lässt sich von seinem Vater raustragen, ohne mich noch eines einzigen Blickes zu würdigen.
Ich schalte die «Aktivitätendecke für dynamischen Spielspaß» aus, summe meschugge «Fuchs, du hast die Gans gestohlen» vor mich hin und schreibe den letzten Satz:
Na also, hab ich’s doch gewusst: Camilla und Charles forever!
«Deine Kinder sind nicht deine Kinder. Sie sind die Söhne und Töchter der Sehnsucht des Lebens nach sich selbst. Sie kommen durch dich, aber nicht von dir, und obwohl sie bei dir sind, gehören sie dir nicht. Du kannst ihnen deine Liebe geben, aber nicht deine Gedanken; denn sie haben ihre eigenen Gedanken. Du kannst ihrem Körper ein Haus geben, aber nicht ihrer Seele; denn ihre Seele wohnt im Haus von morgen, das du nicht besuchen kannst – nicht einmal in deinen Träumen.»
KAHLIL GIBRAN
1. September
W enn mein Sohn vom Arm seines Vaters aus auf mich herabschaut, kann ich seinen Ausdruck nur als überheblich bezeichnen.
Die beiden passen gut zueinander und geben mir manchmal das Gefühl, ziemlich überflüssig zu sein. Ich liebe das. Das ist genau das, was ich immer wollte.
Ich habe nicht diesen fragwürdigen Ehrgeiz vieler Mütter, die unverzichtbar sein wollen, die ihren Männern nicht zutrauen, das Kind zu wickeln, zu beruhigen, warm genug anzuziehen, die sich klammern an das emotionale Monopol auf ihre Kinder, weil es ihnen Sicherheit und Macht verschafft.
Schrecklich, diese zickig gezischten Maßregelungen von Müttern, adressiert an die Väter ihrer Kinder: «Pass doch auf, du hältst ihn viel zu fest!», «Achtung, du lässt sie ja gleich fallen!», «Nimm ihr die Mütze ab, das ist doch viel zu warm!», «Du musst ihn über die Schulter legen, sonst beruhigt er sich nie!», «Das ist doch viel zu viel Brei auf dem Löffel!».
Vom ersten Tag an habe ich mir innerlich immer sofort auf die Finger gehauen, wenn ich mich bei einer derartigen Bevormundung ertappte.
Eine Mutter, die den Vater nicht ans gemeinsame Kind lässt, die alles besser weiß und alles selber macht, tut niemandem damit einen Gefallen.
Unser Sohn schläft in den Armen seines Vaters genauso selig ein wie in meinen. Trost sucht und findet er bei mir ebenso wie bei seinem Vater.
Würde ich Schlomo nicht stillen, ich könnte problemlos ein paar Tage abhauen – was ich garantiert nach dem Abstillen tun werde! –, ohne mir auch nur einen Gedanken machen zu müssen.
Mein Mann kennt unseren Sohn genauso gut wie ich. Er hält ihn anders als ich, wenn er ihn beruhigen will. Es funktioniert trotzdem.
Wenn er unseren Schlomenberger tollkühn und in meinen Augen lebensgefährlich herumwirbelt, sage ich nichts und gucke woandershin.
Und wenn ich sehe, wie Vater und Sohn Arm in Arm eingeschlafen sind, decke ich sie zu und weiß, dass mein Sohn ein ungeheuerlich privilegierter Junge und mein Mann ein ungeheuerlich privilegierter Vater ist.
Eigentlich ist es erstaunlich, warum nicht viel mehr Väter diesen Luxus der Nähe zum eigenen Kind einfordern. Fast automatisch denken wir immer noch, Kinder gehörten zur Mutter und dass sie es ist, die auf ihre Karriere zugunsten der Familie verzichten soll, muss oder auch darf.
In der «Süddeutschen Zeitung» schrieb der Schriftsteller Ralf Bönt dazu:
«Die noch andauernde Fixierung des feministischen Diskurses auf eine Karriere jenseits der Familie erweist sich aber nach den großen Erfolgen, die bei den Suffragetten nicht anfingen und bei Alice Schwarzer nicht aufhören, als Falle. Das Ziel muss natürlich sein, wählen zu können. Eine Gesellschaft, die das Glück, mit Kindern zu leben, geringschätzt, ist dumm und impotent, durch ihre Städte und Landkreise fahren meist leere Cayennes. Ein Doktortitel, ein Ministeramt oder ein Kontoauszug? Leck mich am Arsch. Oder anders gesagt: Nichts ist öder als eine Gesellschaft, in der jetzt nicht nur jeder Mann, sondern auch noch jede Frau Karriere
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