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Unter dem Räubermond

Unter dem Räubermond

Titel: Unter dem Räubermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jewgeni Lukin
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Unzufriedenheit unter den Räubern nicht, sondern nahm mit jedem Tag zu, den sie unterwegs waren. Man hatte den Eindruck, dass die Mannschaft, nachdem sie am Meer gewesen war, jede Furcht vor dem Anführer eingebüßt hatte. Als direkt vor dem Horn des Samum die schwarze durchscheinende Kuppel über den rußbedeckten Sanden der nickenden Hämmer auftauchte, ging die Dreistigkeit der Unruhestifter so weit, dass sie von Ar-Scharlachi verlangten, wieder einen Kreis aller zusammenzurufen und eine Antwort zu geben, wohin sie fahren würden und wozu.
    Ar-Scharlachi spürte selbst, dass man ihm äußerst unwillig gehorchte, doch eine Erklärung hatte er nicht dafür. Bei der allgemeinen Versammlung ließen sie ihn nicht einmal ausreden – sie unterbrachen ihn, begannen durcheinanderzureden.
    »Wir dürfen doch nicht nach Harwa fahren!«, schrie Aitscha über den Lärm hinweg klagend und zugleich drohend. »Glaubst du, Ulqar wird dir für dieses Fass mit Wasser alles verzeihen? Du bist vielleicht so ehrlich, aber er …«
    »Gut«, unterbrach ihn Ar-Scharlachi. »Nicht nach Harwa. Und wohin? Vielleicht wieder zum Meer?«
    »Zum Meer …«, äffte ihn jemand nach. »Wenn es dort nicht brennen und irgendwas wachsen würde …«
    Sofort redeten alle durcheinander, beschimpften einander. Wohin man sich auch wendete – überall war es jetzt gefährlich; das war allen klar.
    »So hört doch!« Ar-Scharlachi hob die Stimme. »Niemandem von uns droht etwas. Auf halbem Wege trifft uns Chaïlsa …«
    »Chaïlsa?« Aitscha sprang sogar von seinem Teppich auf. »Gerade der hat bestimmt niemandem verziehen! Der wird mich doch als Ersten an der Rah aufknüpfen! Weswegen hat die Meuterei denn begonnen? Der hat mir doch damals den Schleier heruntergerissen, und ich habe ihm darauf eine verpasst!«
    Ar-Scharlachi war klar, dass er einen Fehler nach dem anderen machte und jeder Satz von ihm die allgemeine Unzufriedenheit nur noch anstachelte, aber er konnte ja nicht einfach den Mund halten und in seine Kajüte gehen!
    »Kurzum, ihr verlangt Garantien?«, fragte er.
    »Waas?«, wunderte man sich in der Menge über das unbekannte Wort. Jemand kicherte halblaut.
    Ar-Scharlachi fluchte in Gedanken. »Ich sage: Ihr wollt sicher sein, dass niemand uns anrührt?« Er drehte sich zu Aliyat um. »Geh zu mir und hol das Edikt … Kann jemand lesen?«, wandte er sich wieder an die anderen.
    Die Räuber waren etwas verwirrt. Der eine oder andere konnte natürlich lesen, aber es war hier nicht üblich, sich damit hervorzutun – man wurde ausgelacht. Schließlich erhob sich ächzend wiederum Aitscha, nahm aus Aliyats Händen das Pergament entgegen, entrollte es, runzelte die Stirn.
    »Ulqar …«, las er mit Pausen zwischen den einzelnen Wörtern, »Herrscher und … und Gebieter … des Einigen Harwa … der Uner… Unerforschliche und Unsterbliche … befiehlt seinem Diener … Scharlach …« Hier stockte er und warf dem Anführer einen raschen, misstrauischen Blick zu. Ringsum begann man zu flüstern. »… die Fahrt … nach dem Meerwasser … fortzusetzen … und erhebt … seinen Diener Scharlach … für seine künftigen Verdienste … in den Rang eines …« Aitscha schwieg lange. Entweder konnte er das Wort nicht entziffern, oder er traute seinen Augen nicht.
    »Warum sagst du denn nichts?«, riefen die anderen. »Sollen wir Feuer bringen?«
    Es folgte ein kurzes Gelächter. Es ging auf Mittag zu.
    »… in den Rang eines Karawanenführers«, brachte Aitscha schließlich hervor, und verwundertes Schweigen senkte sich auf die Sande.
    »Weiter«, verlangte Ar-Scharlachi.
    »… wie er … ihm auch alle … seine Verfehlungen vergibt …«, las Aitscha zu Ende, dann reichte er das Pergament, das sich knisternd zusammenrollte, eilig Aliyat, als habe es ihm die Hände verbrannt.
    »Dieses Edikt«, erklärte Ar-Scharlachi ungerührt, obwohl in seiner Seele ein großer, schwarzer Skorpion wühlte, »habe ich am zweiten Tag des Aufstands erhalten. Das Edikt ist echt und immer noch in Kraft. Also? Was wollt ihr mehr?«
    Ein Fehler. Wieder ein Fehler. In den ihm zugewandten Augen las Ar-Scharlachi Misstrauen, Zorn, Furcht und sogar Verachtung.
    »Am zweiten Tag des Aufstands?«, wiederholte jemand langsam. Wieder trat Stille ein. Allmählich ging allen (darunter auch Ar-Scharlachi) auf, was das bedeutete.
    »Du …«, sagte Aitscha stockend. »Du hast uns gegen Ulqar geführt, und selber …?«
    »Deshalb haben wir die Schlacht auch verloren!«, schrie

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