Unter dem Schatten des Todes - Brack, R: Unter dem Schatten des Todes
auf knapp 900 Seiten), gelingt es nur unter Zuhilfenahme großzügiger Interpretationen, ein scheinbar klares Bild der Vorgänge und Hintergründe zu erzeugen.
Die meisten Darlegungen der angeblichen Fakten durch die Wissenschaftler basieren in den entscheidenden Punkten auf leicht anzweifelbaren Indizien ohne echte Beweise. Und so sind sämtliche Theorien, wie vehement sie auch immer vorgetragen werden, bestenfalls Erklärungsversuche. Sämtliche Schilderungen der Ereignisse erweisen sich bei genauerer Betrachtung als Fiktionen. Und alle Historiker, die sich damit befasst haben, entlarven sich früher oder später als Geschichtenerzähler.
In diesem Sinne darf der vorliegende Roman als Kommentar zum Schwelbrand eines bis heute anhaltenden Historikerstreits verstanden werden. Und als Verteidigung eines jungenMannes, der nicht nur vom Räderwerk der Geschichte zermalmt wurde, sondern auch ins Räderwerk der Geschichtsschreibung geraten ist.
Längst fällig war dieser Genre-Beitrag im Sinne einer »schwarzen Kolportage« ohnehin, denn erstaunlicherweise haben sich die deutschen Kriminalschriftsteller bei diesem Thema bislang zurückgehalten, es vermieden oder gar nicht in Betracht gezogen. Vielleicht, weil sie den Zorn der Historiker fürchteten oder die hämischen Lachsalven des Feuilletons oder weil ihnen die Recherchen zu anstrengend erschienen.
Nun ist aus dem großen Fall doch noch ein kleiner Kriminalroman geworden. Wenn er etwas bezwecken soll, dann eventuell dies: dass die Leser dem jungen Mann aus Holland etwas mehr Verständnis entgegenbringen. Denn darum ging es mir: herauszufinden, wer Marinus van der Lubbe war und was ihn dazu brachte, in den Reichstag einzusteigen. Ansonsten lege ich Wert auf die Feststellung, dass meine neue Variante der Geschichtsschreibung keinen Deut unwahrscheinlicher ist als die Vorschläge der Wissenschaft hierzu.
R.B.
GLOSSAR
Organisationen
AAU – Allgemeine Arbeiterunion, rätekommunistische Gewerkschaft
BDM – Bund deutscher Mädel, nationalsozialistische Organisation
EKKI – Exekutivkomitee der Kommunistischen Internationale in Moskau
FAUD – Freie Arbeiter Union Deutschlands, anarchosyndikalistische Gewerkschaft
GIC – Gruppe Internationaler Kommunisten, niederländische Rätekommunisten
GPU – Gossudarstwennoje Polititscheskoje Uprawlenije, sowjetische Geheimpolizei
KJVD – Kommunistischer Jugendverband Deutschlands (KPD)
Komintern – Kommunistische Internationale
KPD – Kommunistische Partei Deutschlands
Radenkommunisten – niederländische Rätekommunisten
RFB – Roter Frontkämpferbund (KPD)
RGO – Rote Gewerkschaftsopposition (KPD)
SA – Sturmabteilung (NSDAP)
Sipo – Sicherheitspolizei (offiziell: Ordnungspolizei)
Stapo – Staatspolizei (politische Polizei)
Spartacus-Gruppe – niederländische Anarchisten
Publikationen
8-Uhr-Abendblatt – nationalliberale Tageszeitung
AIZ – Arbeiter Illustrierte Zeitung, kommunistische Zeitschrift
Arbeiter-Echo – anarchosyndikalistische Zeitung
Berlin am Morgen – kommunistische Tageszeitung
Berliner Tageblatt – linksliberale Tageszeitung
Börsen-Courier – bürgerlich-liberale Tageszeitung
Der Proletarier – rätekommunistische Zeitschrift
Der Syndikalist – anarchosyndikalistische Zeitung
Die Internationale – anarchosyndikalistische Zeitschrift
Echo von Berlin – sozialdemokratische Tageszeitung
Ekstra Bladet – liberale dänische Tageszeitung
Hamburger Volkszeitung – Tageszeitung der KPD
Manchester Guardian – linksliberale britische Tageszeitung
Rote Fahne – Tageszeitung, Zentralorgan der KPD
The Times – konservative britische Tageszeitung
Völkischer Beobachter – Tageszeitung, Zentralorgan der NSDAP
Vossische Zeitung – liberale Tageszeitung
Welt am Abend – kommunistische Tageszeitung
Am Abend des 27. Februar 1933 geht der Reichstag in Flammen auf. Klara Schindler, kommunistische Reporterin im dänischen Exil, reist nach Berlin, um die Hintergründe zu recherchieren. Inmitten des entfesselten Nazi-Terrors trifft sie auf Arbeiter, Agenten, Syndikalisten, Bohemiens, einen anarchistischen Bankräuber und eine rätselhafte ungarische Schönheit.
Bis heute wurden die Umstände des Reichstagsbrands nicht aufgeklärt. Wer war Marinus van der Lubbe und wie kam er in den Reichstag? Robert Bracks »schwarze Kolportage« liefert eine neue Perspektive sowie eine authentische Darstellung der sozialen und politischen Verhältnisse.
Robert Brack , Jahrgang
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