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Unter dem Teebaum

Unter dem Teebaum

Titel: Unter dem Teebaum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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wartete. Jetzt wartete niemand mehr auf sie.
    »Ach, Jonah«, flüsterte sie in die Nacht. »Wo bist du?«
    Amber erschrak nicht, als plötzlich ein Flüstern erklang: »Liebste, hier bin ich.«
    Sie drehte sich um, sah Jonah dicht vor sich, so dicht, dass seine Atemzüge sie streiften.
    »Wie … wo …?«, stotterte sie, doch ihr Gesicht war wie in Sonnenschein gebadet. Auch Jonah strahlte.
    »Psst!«, machte er und legte ihr zärtlich einen Finger auf die Lippen.
    »Mich darf niemand sehen. Und am besten auch nicht hören«, flüsterte er.
    Amber zog Jonah in den Weinkeller und schloss die Tür von innen ab. Den Schlüssel steckte sie zurück in die Tasche ihres Kleides. Dann ließ sie sich in seine Arme ziehen, genoss seine Wärme, seine Worte, sein Dasein.
    Es dauerte eine ganze Weile, bis sie ihn erneut fragte: »Wo kommst du her? Was machst du hier? Orynanga sagte, du wärst im Outback.«
    Jonah nickte. »Ja, ich bin auf den Spuren meiner Ahnen gewandert. Orynanga schickte mich, damit ich zum Mann werde. Du weißt doch, die Aborigines dürfen sich erst eine Frau wählen, wenn sie die Initiationsriten durchlaufen haben.«
    »Aber jetzt bist du hier, bist bei mir!«
    »Amber, ich hatte das Gefühl, dass du nach mir rufst. Deine Stimme war in meinem Kopf und rief und rief. Ich konnte dem Traumpfad nicht weiter folgen, und ich konnte es nicht länger ertragen, dass du nicht weißt, wo ich bin. Deshalb bin ich zurückgekommen.«
    Er ergriff ihre Hände und zog sie an seine Brust. »Ich möchte nicht mehr von dir getrennt sein. Ich bin gekommen, um zu bleiben. Vielleicht ist es möglich, dass wir irgendwann zusammen meinen Traumpfad gehen. Ich möchte die wichtigen Dinge des Lebens nicht ohne dich erfahren.«
    Amber wusste nicht, was sie sagen sollte. Nichts hatte es bisher in ihrem Leben gegeben, das sie so sehr angerührt hatte. Zärtlichkeit und Dankbarkeit überkamen sie. Ganz fest drückte sie Jonah an sich.
    »Ja«, flüsterte sie. »Wir gehören zusammen. Nichts Wichtiges wollen wir ohne den anderen machen. Ich möchte, dass wir alles voneinander wissen, uns alles sagen – und dabei doch ganz wir selbst bleiben.«
    Sie legte ihre Lippen ganz zart auf seinen Mund, atmete seinen Atem ein, fühlte seine Wärme, die ganze Sanftheit und Größe seiner Liebe und schloss die Augen. Sie fühlte sich so geschützt und geborgen, so stark und mutig, dass sie glaubte, niemand könne sie bezwingen. Alles, was sie gerade noch geängstigt hatte, fiel von ihr ab. Selbst das Bellen des Hundes, das plötzlich ganz in ihrer Nähe erklang, hatte nichts Bedrohliches mehr.
    Zu spät bemerkten die beiden, dass die Tür aufgeschlossen wurde. Zu spät, um sich zu verstecken. Die Tür flog mit einem Ruck auf, und Walter Jordan und Steve mit seinem Hund tauchten auf.
    »Amber!«
    Der Ruf klang wie ein Peitschenknall.
    Jonah und Amber fuhren auseinander. Der Hund sprang kläffend und die Zähne fletschend an Jonah hoch und schnappte nach den Armen. Jonah wehrte ihn ab, indem er ihm einen Schlag auf die Schnauze gab. Der Hund heulte auf, doch schon war Steve Emslie zur Stelle. Er war einen Kopf größer als der Aborigine, verfügte über eine ungeheure Muskelkraft und vor allem über den Willen, seinen Widersacher zu vernichten und Rache für die erlittene Schmach zu nehmen.
    »Lass meinen Hund in Ruhe, du Bastard!«, schrie er. Er packte den Aborigine am Kragen und stieß seinen Kopf gegen die Kellerwand. Walter griff ein, wollte Steve zurückhalten, doch in diesem Gerangel war nicht mehr auszumachen, wem welcher Arm, welcher Körper, welche Kehle gehörte.
    Amber, die wie erstarrt dagestanden hatte, schrie auf. Sie wusste nicht, was sie tun sollte. Sie wollte Jonah helfen, ihn retten, doch sie wusste auch, dass ihr die Kraft dafür fehlte.
    Schließlich drehte sie sich um und rannte nach draußen, um Hilfe zu holen. Sie rannte zurück zum Festplatz, wunderte sich nicht über die Stille, blieb jedoch erstarrt stehen, als sie sah, dass die Gäste bereits gegangen waren. Sie drehte sich nach allen Seiten um und schluchzte auf, doch nur Aluunda war da und räumte die Gläser zusammen.
    »Wo sind sie?«, schrie Amber die alte Frau an. »Mein Gott, wo sind sie denn alle hin?«
    Aluunda zuckte mit den Achseln. »Das Fest ist vorbei. Du warst lange weg. Viele haben dich vermisst. Was ist los? Warum schreist du so?«
    Amber hörte nicht, sondern hetzte weiter zum Hüttendorf der Aborigines. Doch auch hier war niemand. Die Hütten waren leer,

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