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Unter dem Teebaum

Unter dem Teebaum

Titel: Unter dem Teebaum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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zu teuer. Die Leute wünschen einfache Tischweine. Dafür, sagt er, reicht die Gärung im Stahltank.«
    »Und du?«, fragte Amber. »Was meinst du? Du hast doch auch das Agrarcollege besucht, hast ein Diplom als Winemaker. Hast du keine Meinung?«
    Ben warf einen verstohlenen Blick auf seinen Vater, der genüsslich an einer Zigarre paffte und die Weste öffnete, die über seinem Bauch beinahe platzte.
    »Vater sagt, solange ich die Füße unter seinen Tisch stecke, wird gemacht, was er sagt.«
    Bens Stimme klang so hoffnungslos, so müde, dass Amber beinahe Mitleid mit ihm bekam.
    Sie sah ihn an, sah in das blasse Gesicht mit dem stets flackernden Blick. Sie legte ihm ihre warme Hand auf den Arm und sagte freundlich: »Vielleicht ändert sich alles, wenn du eine eigene Familie hast.«
    Ben lächelte ein wenig und wurde rot. »Vater meint, die Frau müsse gut auf das Gut passen. Eine Winzertochter wäre ihm recht. Davon gibt es nicht allzu viele in Barossa Valley.«
    Er sah sie von unten herauf an. »Ich mag dich gern, Amber«, sagte er leise.
    »Ich dich auch, Ben. Schon in der Schule habe ich dich gemocht. Du bist gewiss ein guter Freund.«
    »Nur ein Freund?«, fragte er und verlor den Glanz aus seinen Augen.
    »Ja, Ben. Nur ein Freund.«
    Als ihr Vater sie ansprach, war sie froh, seinen unterwürfigen Blicken entgehen zu können.
    »Amber«, bat Walter Jordan. »Ich möchte gern, dass Lambert von dem neuen Wein probiert, den du mit einer Aborigine-Würzmischung versetzt hast. Sei so nett und hole uns eine Flasche aus dem Keller.«
    Amber nickte und nestelte nach dem Schlüssel, den sie lose in einer Tasche ihres Kleides trug. Sie wusste, dass Walter sie heute über den grünen Klee lobte, weil er meinte, etwas an ihr gutmachen zu müssen. Doch sein Lob war kein Ersatz für Jonahs Liebe. Nichts konnte sie ersetzen.
    Sie seufzte und ging langsam zum Weinkeller. Als sie am Tisch der Aborigines vorbeikam, bemerkte sie bei Orynanga eine ähnliche Unruhe wie bei Steve. Der Alte hatte die beiden Weinkrüge vor sich stehen und goss seinen Leuten so zögerlich nach wie ein alter Geizkragen beim Besuch der ungeliebten Verwandtschaft.
    Hatte es in den letzten Tagen etwa wieder Streit gegeben? Amber hatte nichts davon erfahren, doch sie wusste auch so, dass Steve die Aborigines behandelte wie wilde Tiere. Selbst seinen Hund, einen Mischling, der ebenso rüde war wie sein Herr, behandelte er besser. Auch jetzt rief er den Hund, den er Buschi nannte, zu sich und fütterte ihn mit Fleischbrocken, die er den Aborigines nicht gönnte. Und Buschi machte seinem Namen wirklich alle Ehre. Niemand wusste, ob Steve ihn abgerichtet hatte, doch jedes Mal, wenn sich einer der Eingeborenen dem Hund näherte, knurrte er und zeigte seine scharfen Zähne.
    Amber machte einen großen Bogen um den Hund und ging dann langsam an der Längsseite des Gutshauses entlang und von dort um die Ecke zum Weinkeller.
    Der Eingang lag im Dunkeln und war links und rechts von Akazien gesäumt. Nicht einmal das Licht der Fackeln reichte bis hierher. Der Mond stand wie ein Silbertaler am Himmel und zeichnete scharfkantige Schatten. Amber lehnte sich einen Augenblick an einen Baum, der nur ein paar Schritte vom Eingang zum Weinkeller entfernt lag, atmete tief ein und aus und genoss die würzige Luft. Bis hierher konnte sie das Lachen und Lärmen der Gäste hören. Einige schienen sich zum Aufbruch bereitzumachen. Amber sah die Eingeborenen, die sich langsam auf den Weg zu ihren Hütten machten. Sie hörte die Turmuhr der nahen Kirche zwölf Mal schlagen. Das Fest war fast vorüber. In Barossa Valley gingen die Menschen zeitig schlafen und standen am Morgen früh auf.
    Ohne dass Amber etwas dagegen tun konnte, ergriff eine große Traurigkeit von ihr Besitz. Sie dachte an Jonah und fühlte sich verlassen und hoffnungslos. Den ganzen Abend über hatte Walter Jordan sie angepriesen, hatte ihre Vorzüge gelobt. Nicht nur Lambert hatte sie betrachtet wie ein Pferd auf dem Rossmarkt, auch Harrys Vater und einige andere wohlhabende Winzer hatten sich wohl vorgestellt, welches Paar Amber und der eigene Sprössling vor dem Altar abgeben würden. Doch je mehr sich die Gäste mit Ambers Zweisamkeit beschäftigten, umso einsamer fühlte sie sich.
    In Adelaide war sie abends oft allein gewesen, hatte in ihrem schmalen Internatszimmer gesessen und gebüffelt, während die anderen sich in den Pubs amüsierten. Doch damals hatte sie gewusst, dass Jonah in Carolina Cellar auf sie

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