Unter dem Teebaum
und sich so vorzüglich für das Verschneiden von Cabernet und Shiraz eignen würden. Bald jeden Tag ging sie hinauf, um nach »ihren Stöcken« zu sehen. Seit Jonahs Weggang mied sie die anderen, war wortkarg bei Tisch und verbrachte die Abende allein in ihrem Zimmer oder auf einsamen Spaziergängen.
Heute aber konnte sie sich nicht verstecken. Heute war Weinfest, und sie war gezwungen, ihre Rolle als Gastgeberin gut zu erfüllen.
Das Gut erstrahlte im feierlichen Glanz. Steve Emslie hatte seine Leute angehalten, überall Fackeln aufzustellen, die ein weiches Licht verbreiteten. Vor dem Gutshaus bogen sich die Tafeln unter Aluundas Köstlichkeiten. Auf den Bänken drängten sich die Weinbauern aus Tanunda, Freunde und Bekannte, Arbeiter und Geschäftspartner. Es waren nahezu fünfzig Gäste, die sich auf dem traditionellen Weinfest des Carolina Cellar amüsierten.
Auch die Aborigines waren gekommen. Sie hatten während der Lese jeden Tag in den Bergen gearbeitet, und Walter Jordan vertrat die für die Gegend ungewöhnliche Meinung, dass ein jeder, der gut gearbeitet hat, auch gut feiern soll. Also saßen die Aborigines an zwei Tafeln zusammen, und Orynanga hatte die Leute seines Clans bestens im Blick.
Ebenso wie Amber Steve Emslie. Sie hatte den Verdacht, dass er über Jonahs Verschwinden sehr erfreut war. Jetzt beobachtete sie, wie er immer wieder zu den Aborigines hinübersah, dann stand er auf, ging zu Orynanga und sagte: »Du solltest aufpassen, dass sich deine Leute nicht besaufen. Dieser Wein hier ist etwas anderes als das Wasser aus eurem Trog. Ich will nicht, dass es Schwierigkeiten gibt.«
Orynanga schloss einen Augenblick die Augen und ballte unter dem Tisch seine Hände zu Fäusten. Schließlich antwortete er betont langsam: »Ihr braucht keine Sorge zu haben, Master. Die Aborigines sind ein sehr friedliebendes Volk. Manchmal ist es das, was den anderen Schwierigkeiten macht.«
Dann sah er weg, ließ Steve einfach stehen und wandte sich seinen Leuten zu.
Steve nickte langsam, und Amber, die neben ihrem Vater saß, sah, dass seine Kieferknochen mahlten. Sie hatte Steves Unruhe bemerkt. Oft sah er sich um, als erwarte er, dass hinter jedem Strauch, hinter jedem Fass ein Feind lauerte. Sein ganzer Körper schien gespannt wie die Saite eines Bogens. Was hatte er nur?
Jemand brachte einen Toast auf sie aus, und sie lächelte, doch das Lächeln erstarb, als Steve zu ihr sah. In seinem Blick lag etwas Lauerndes. Schnell wandte sie den Kopf ab. Ihr Blick huschte über die anderen Gäste. Harry grinste sie an und zwinkerte ihr vertraulich zu. Er hatte wohl noch immer nicht die Hoffnung aufgegeben, eines Tages hier der Master zu sein. Auch Maggie und Jake waren gekommen. Während Jake laut mit den anderen Männern die Ergebnisse des letzten Kricket-Turniers diskutierte, lehnte Maggie, offensichtlich vom Gespräch gelangweilt, an Jakes Schulter und zog ein Gesicht.
Amber setzte sich zu ihr, doch als Maggie sich überschwänglich über die Finessen ihres neuen Elektroherds ausließ und dabei auf das Interesse der anderen Frauen stieß, stand Amber auf und setzte sich zu ihrem Vater, der mit anderen Winzern über die Ernte sprach. Dieses Thema war auch ihr Thema. Was interessierte sie die Restwärme eines Herds, die sogar dazu taugte, das Teewasser noch stundenlang warm zu halten? Was kümmerte es sie, ob eine Zitronentarte besser mit Hefe- oder mit Mürbeteig gebacken werden sollte? Und was interessierte sie, ob die Frauen nach Gefühl oder nach der Uhr kochten und backten?
Walter berichtete Lambert, seinem größten Konkurrenten, gerade, dass Amber viele neue Ideen vom Agrarcollege mitgebracht hatte. Amber konnte den Stolz in seiner Stimme hören. Sie lächelte pflichtschuldig, als er einen Arm um ihre Schulter legte, und sah zu Ben, dem Sohn Lamberts, der blass und schmächtig neben seinem gewaltigen Vater hockte und sich unablässig darum bemühte, ein eindrucksvolles Gesicht zu machen.
»Na, Ben?«, fragte Amber. »Meinst du, der neue Jahrgang wird besser als der vorige?«
Ben zuckte mit den Schultern. »Vater meint, sie hielten sich die Waage. Die Weißen werden besser, die Roten ein wenig schlechter.«
»Werdet ihr wieder die üblichen Sorten miteinander verschneiden?«
»Vater meint, dass wir es so halten sollten. Die Cuvées verkaufen sich gut.«
»Wir werden uns noch ein paar Fässer anschaffen. Der Ausbau im Barrique bekommt unseren Roten sehr gut.«
»Vater meint, das wäre auf die Dauer
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