Unter dem Teebaum
entfernt. Dies geschieht meist durch Einfrieren des Flaschenhalses. Beim Öffnen der Flasche schießt der Eispfropfen heraus.« Amber zitierte aus einem Lehrbuch, und sie achtete darauf, dass ihr Ton dem Ton einer Grundschullehrerin glich. Sie wusste, dass Steve einiges davon verstand und ihre Belehrungen ganz gewiss nicht nötig hatte.
Er schluckte. Auf seiner Stirn schwoll die Zornesader an, und Amber begann zu lachen. Sie wusste, dass er es hasste, wenn sie ihn auslachte. Er kam auf sie zu und trat so dicht an sie heran, dass feine Spucketröpfchen von seinen Lippen in ihr Gesicht flogen, doch sie wich nicht zurück.
»Wäre ich du, würde ich verdammt vorsichtig sein. Oder hast du vergessen, was in der Nacht nach dem Weinfest hier geschehen ist? Dein Vater, meine Liebe, hat einen Schwarzen umgebracht. Wenn auch niemand glaubt, dass die Schwarzen mehr wert sind als das gemeine Vieh, so gibt es doch Gesetze, die den Mord an einem solchen Vieh bestrafen. Dein Vater ist ein Mörder. Und seine Freiheit liegt in meiner Hand.«
Amber war blass geworden. Sie konnte es fühlen. Ihre Haut fühlte sich plötzlich feucht und kalt an.
»Was willst du damit sagen?«, fragte sie.
Steve grinste und schob einen Kaugummi mit offenem Mund von der rechten in die linke Backentasche. »Solange ich meinen Mund halte, passiert deinem Vater nichts. Doch ich glaube, mir fehlt es an Anreiz, wenn ich daran denke, wie du mich behandelst.«
»Willst du damit sagen, dass du meinen Vater anzeigen würdest?«
Amber wurde es noch kälter bei diesen Worten, und sie musste die Kiefer fest zusammenpressen, damit die Zähne nicht laut aufeinanderschlugen. Sie versuchte in seinem Gesicht zu lesen. Steves Augen waren glasklar und hart. Sie erinnerten Amber an gefrorene Pfützen. Er hatte sie ein wenig zusammengekniffen und musterte Amber. Sie bekam Angst. Sein Kinn war ebenfalls hart und kantig, alles an ihm war hart und kantig. Unerbittlich. Sie wusste, dass er meinte, was er sagte.
»Ja, Amber, ich würde deinen Vater anzeigen. Ob ich es tue, hängt allein von dir ab.«
Amber zog die Augenbrauen hoch und öffnete den Mund, um zu fragen, was er damit meinte. Steve nutzte diesen Moment, um seine Zunge in ihren Mund zu bohren, als vermutete er dort eine Ölquelle.
Amber schmeckte Kaugummi, und sie war so dankbar, dass nichts an Steves Kuss sie an Jonah erinnerte. Nicht einmal der Geschmack. Steves Zunge war in ihrem Mund wie ein alter Spüllappen. Sie bekam kaum Luft und musste würgen. Sie spürte, wie Speichel von ihren Lippen troff, und sie ekelte sich, denn sie wusste, dass es nicht ihr Speichel war.
Am liebsten hätte sie ihn weggestoßen, aber er hatte ihr gerade klargemacht, dass sie das nicht durfte. Von jetzt an, erkannte Amber, war sie ihm ausgeliefert. Was immer er von ihr wollte, er würde es bekommen. Sie konnte nicht zulassen, dass ihr Vater ins Gefängnis kam.
Als er seinen Mund endlich von ihren Lippen löste, schnappte Amber nach Luft. Keuchend fragte sie: »War es das, was du wolltest?«
Steve lachte. »Das und noch viel mehr. Du wirst dich noch wundern. Und eines Tages wirst du dich daran gewöhnt haben, meinen Befehlen zu gehorchen.«
Amber warf den Kopf zurück und sog den Atem ganz tief ein. Doch als sie Steves lüsternen Blick sah, der auf ihren Busen gerichtet war, senkte sie den Kopf und verschränkte die Arme.
»Ich habe zu arbeiten«, sagte sie mit der größten Kühle, zu der sie fähig war. »Und ich denke, du auch. Wir wollen doch nicht, dass Carolina Cellar den Bach runtergeht, nicht wahr?«
Steve grinste. »Nein, das wollen wir ganz gewiss nicht. Das Gut muss erhalten bleiben, das Leben geht weiter.«
Dann wandte er sich um und stapfte nach draußen. Amber wandte sich wieder den Flaschen zu. Sie nahm eine und rüttelte daran, doch die Flasche entglitt ihren Händen, fiel zu Boden und zerbrach.
»Ich habe versagt«, fluchte Amber, sah auf die Flasche, meinte aber etwas ganz anderes. »Vom ersten Tag meiner Rückkehr aus Adelaide an habe ich alles völlig falsch angepackt. Alles ist meine gottverdammte Schuld!«
Ihre Wut, ihre Ohnmacht waren so groß, dass sie mit dem Fuß auf die Erde stampfte. Dann drehte sie sich um und verließ ebenfalls den Weinkeller.
Am Abend saß sie mit ihrem Vater auf der Veranda. Sie tranken beide von dem jungen Wein, schmeckten ihn und nickten zufrieden. Dann sah Amber zum Horizont, hinter dem die Sonne langsam versank.
»Es wird bald zu kalt sein, um hier draußen zu
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