Unter dem Teebaum
und erblickte den Sandsturm, der aus der Wüste kam und direkt auf sie zu raste. Sie blieb stehen und betrachtete fasziniert die helle Sandsäule, die bis zum Himmel reichte und in deren Zentrum es ganz still war, wie sie wusste.
Doch drumherum wirbelte alles, was der Sandsturm geraubt hatte: junge Bäume, Abfall, eine alte Plane und andere Gegenstände.
Ganz still stand Amber und wartete.
Plötzlich war er da. Der Sturm riss Maggie den Schleier vom Kopf und schleuderte ihn zum Himmel hinauf, dann zog er am Brautstrauß, den Maggie nicht hergeben wollte. Er heulte und brüllte wie ein gereizter Bär, übertönte jeden Ruf. Er zerrte an den Kleidern, rupfte die Frisuren der Frauen und schleuderte die Hüte der Männer durch die Luft.
Es war aberwitzig anzusehen, wie die Braut mit dem Sandsturm um ein paar Blumen, die ohnehin dem Tod geweiht waren, kämpfte. Der Sturm ließ nicht locker, zauste die Blüten, riss die Köpfe ab. Er wirbelte auch um Maggies Jungfernkranz, sodass die Nadeln, mit denen er gehalten wurde, sich lösten. Der Kranz rutschte über Maggies Stirn, bedeckte ihre Augen und fand erst auf der Nase Halt.
Amber stand unbeweglich, achtete weder auf ihr Kleid noch auf ihre Frisur. Sie betrachtete Maggie, und wieder überkam sie dieselbe Genugtuung wie vor dem Hochzeitsgottesdienst. Amber sah eine Braut, die den Jungfernkranz auf der Nase trug, der das Kleid vom Wind bis zur Hüfte hochgeschlagen war, die am Brautkranz festhielt wie an einem Versprechen.
Jake, der neben seiner Frau stand, starrte sie an, doch es schien ihm überhaupt nicht einzufallen, ihr zu helfen. Amber spürte wieder den leisen Überdruss, den er schon in der Kirche nicht hatte verbergen können.
Doch dann war alles vorbei.
So plötzlich der Sandsturm auch gekommen war, so rasch fiel er in sich zusammen wie ein Betrunkener nach dem letzten Whisky.
Um die Hochzeitsgesellschaft herum lag verstreuter Müll.
Die Braut stand da, ohne Schleier, und hielt nur noch ein paar geknickte Stängel ohne Blüten in den Händen.
Amber begann zu lachen, als sie Maggies Gesicht sah. Sie lachte und lachte und konnte gar nicht mehr aufhören. Maggie wandte sich ihr mit zornrotem Gesicht zu, stampfte mit dem Fuß auf und schrie: »Gönnst du mir den schönsten Tag in meinem Leben nicht?«
Dann warf sie den Strauß nach der Lachenden. Amber fing ihn auf.
Es war ein Reflex.
Plötzlich begann Maggie zu lachen. »Du hast den Brautstrauß gefangen.
Du wirst die Nächste sein, die heiratet.«
Amber hörte das und ließ den Strauß fallen, als wäre er voller Dornen.
»Du bist die Nächste«, schrie Maggie, und ihre Brautjungfern stimmten ein: »Du bist die Nächste!«
Bald riefen alle: »Du bist die Nächste, du bist die Nächste.«
Amber stand steif und schüttelte den Kopf. Sie starrte auf den gerupften Strauß.
War das wirklich ein Zeichen?
Die Menge brüllte lauter als der Sandsturm. Hilfe suchend sah Amber zu ihrem Vater.
Doch Steve war es, der sich plötzlich neben sie stellte, ihren Arm nahm und leise sagte: »Das Orakel hat sich noch nie getäuscht. Du wirst wahrhaftig die Nächste sein, die vor den Altar tritt. Das weiß ich so sicher, wie ich weiß, wer Jonah getötet hat.«
Ganz leise hatte er die Worte gesprochen, doch sie dröhnten in Ambers Kopf wie Kirchenglocken, die zum Trauergottesdienst riefen.
8
Die neue Ernte war bereits gekeltert. Tagelang lief die Weinpresse, trennte den Saft von Kernen, Schalen und Stielen.
Amber hatte die Rückstände zusammen mit dem Most und Hefebakterien angesetzt, denn nur so gelangten die Tannine und die rote Farbe aus den Schalen in den späteren Wein. Maische nannte man diesen Sud.
Jeden Tag kostete sie ein wenig davon; er schmeckte wie schlecht gewordener Most. An einem Tag war sie zufrieden, am nächsten hatte sie den Eindruck, die Gärung ging zu rasch vor sich. Dann ließ sie den Maischetank kühlen. Nach zwei Wochen wurde das Gärverfahren abgebrochen, denn Amber hielt es an der Zeit, die Flüssigkeit abzupressen und in Fässer und Stahltanks zu füllen.
Walter Jordan hatte die Arbeit seiner Tochter genau beobachtet. Er war ein erfahrener Winzer, der sich ausgezeichnet auf die Weinherstellung verstand und dafür schon mit zahlreichen Preisen belohnt worden war. Er sagte nichts. Kein einziges Wort. Doch seine Miene verriet, dass er mit Ambers Arbeit zufrieden war. Auch er betrachtete jeden Tag die Maische, untersuchte die Farbe, schmeckte den vergorenen Most. Er hatte Amber
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