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Unter dem Teebaum

Unter dem Teebaum

Titel: Unter dem Teebaum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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sitzen«, sagte sie. »Wir werden uns mit dem Düngen beeilen müssen.«
    Sie hatte eigentlich vorgehabt, ihrem Vater von einer Idee zu berichten. Die jungen Reben wurden auf dem Berg im Dreidrahtrahmen erzogen. Sie würde sich gern an einer moderneren Drahtrahmenerziehung versuchen und begann davon zu erzählen.
    Walter Jordan nickte in regelmäßigen Abständen, und es dauerte eine ganze Weile, bis Amber bemerkte, dass er ihr nicht zuhörte.
    Sie unterbrach ihren Vortrag, doch nicht einmal das bemerkte ihr Vater.
    »Was ist los? Worüber denkst du nach?«, fragte sie, doch Walter schüttelte nur den Kopf.
    »Was macht dir Sorgen?«, bohrte sie weiter.
    Der Vater seufzte und sah der versinkenden Sonne zu.
    »Steve Emslie will dich heiraten«, sagte er schließlich.
    Amber nickte. Sie hatte damit gerechnet. Am liebsten hätte sie laut aufgelacht und ihm mitgeteilt, Steve könne sich diesen Gedanken gern mit dem Hammer aus dem Kopf schlagen, doch seit heute Nachmittag wusste sie, dass der Verwalter es ernst meinte.
    »Was hast du ihm geantwortet?«, fragte sie vorsichtig. Wieder seufzte der alte Winzer. »Ich habe ihm die Hälfte meines Weingutes angeboten.«
    »Und? Was hat er gesagt?«, fragte Amber. Sie saß hoch aufgerichtet auf der vorderen Kante des bequemen Rattansessels. Ihre Hände hielten die Lehnen umklammert, sodass ihre Fingerknöchel weiß hervortraten.
    Walter Jordan zuckte mit den Schultern. »Er will mehr, Amber. Er will alles. Das halbe Gut genügt ihm nicht. Er will dich. Und du wirst einmal das ganze Gut erben.«
    Wieder wurde es Amber ganz kalt. »Und … und … was hat er gesagt, wird er tun, wenn ich ihn nicht heirate?«
    Sie sprach die Worte ganz leise aus, als hätte sie Furcht vor ihrem Klang.
    Der Vater wandte sich ihr zu. Er griff über den Tisch nach ihrer Hand und strich sanft darüber. »Du musst ihn nicht heiraten, Amber. Niemand wird dich dazu zwingen. Es sei denn, du liebst ihn, doch das tust du nicht. Nein, Kind, du musst dir keine Sorgen machen. Ich werde ihn fortschicken von hier.«
    Amber schrak auf. »Das darfst du nicht, Vater. Nein, niemals darfst du ihn fortschicken!«
    Der alte Mann lächelte ein kleines, blasses und trauriges Lächeln, dann erwiderte er: »Ich habe uns alle in diese furchtbare Lage gebracht. Aber niemand, Amber, das schwöre ich dir, soll unter der Schuld, die ich auf mich geladen habe, leiden. Am allerwenigsten du.«
    Tränen stiegen ihr in die Augen, rannen über ihre Wangen. Sie nahm die Hand ihres Vaters, führte sie an die Lippen und küsste sie, dann schmiegte sie ihre Wange hinein.
    »Ich werde Steve heiraten«, sagte sie, stand auf und ging, ohne sich nach Walter umzusehen, ins Haus. Sie stieg die Treppe zum ersten Stockwerk hinauf, als stiege sie aufs Schafott.
    Dann klopfte sie gegen eine Tür, öffnete sie ohne Aufforderung und trat ein. Steve saß in einem Schaukelstuhl auf dem Balkon, hatte ein Glas Whisky neben sich stehen und betrachtete zufrieden den Einbruch der Nacht.
    »Ich werde dich heiraten«, sagte Amber und stellte sich direkt vor ihn. »Aber ich werde dich niemals lieben. Ich werde dir vor Gott und den Menschen angehören, aber ich werde dir niemals gehören. Wenn meinem Vater ein Leid geschieht, werde ich dich töten.«

Zweiter Teil
    _____________

9
    Amber hatte die Glückwünsche zu ihrer Hochzeit, die guten Worte über ihren vortrefflichen Ehemann mit stoischer Ruhe hingenommen, ohne etwas darauf zu erwidern.
    Sie trug ein schwarzes Kleid und einen Schleier, der ihr Gesicht bedeckte. Sie hatte sich das Haar schwarz gefärbt und locken lassen, und sie hatte sich so lange den letzten Sonnenstrahlen ausgesetzt, bis ihre Haut einen tiefbraunen Ton angenommen hatte.
    Sie hatte alles getan, um einer Aborigine so ähnlich wie möglich zu sehen. Aluunda war ihre Trauzeugin. Steve hatte getobt, doch er hatte nichts dagegen unternehmen können, denn erst vor dem Altar bekam er die Macht, Einfluss auf Ambers Leben zu nehmen.
    Die Gäste hatten sich über Ambers Aufputz gewundert, doch von einer, die in der Stadt studiert und einen Abschluss hatte, nahm man einfach an, dass sie die dortige Mode kopierte. Und was wusste man in Tanunda schon von der neuesten Mode in Adelaide, Sydney oder Brisbane? Also hatte man ihr Kleid bewundert, weil man ein Hochzeitskleid schließlich immer bewundern musste, hatte ihr lobende Worte über ihre Frisur gesagt und ihre gesunde Hautfarbe gewürdigt.
    Das Hochzeitsessen, das Aluunda gekocht hatte und das

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