Unter dem Teebaum
deinem Leben würde sich nur der Nachname ändern und ansonsten alles so bleiben, wie es bisher war, so hast du dich getäuscht.«
Walter stand auf. »Ich gehe in den Keller«, sagte er, »und überprüfe die Flaschen. Ihr beide braucht heute wirklich nicht zu arbeiten. Alle Hochzeiter, die ich kenne, gehen auf Hochzeitsreise. Ihr könntet euch wenigstens hier noch ein paar freie Tage gönnen, um euch aneinander zu gewöhnen.«
Im ersten Augenblick empfand Amber die Worte ihres Vaters als Verrat. Wie konnte er glauben, sie hätte Interesse daran, mit Steve zusammen zu sein?
»Was meinst du? Welches Zimmer wollen wir nehmen?«, holte Steve sie aus ihren trüben Gedanken zurück. Seine Stimme klang so freundlich, beinahe schon sanft, dass Amber ihn überrascht ansah.
»Es ist mir vollkommen gleichgültig. Am liebsten wäre mir, jeder bliebe dort, wo er gerade ist.«
Steve lehnte sich zurück und betrachtete seine Ehefrau, die ihm mit verschlossenem Gesicht und über der Brust verschränkten Armen gegenübersaß.
»Du denkst, ich hätte dich um des Gutes willen geheiratet, nicht wahr?«, fragte er. Auch diese Worte klangen beinahe sanft.
Amber zuckte mit den Achseln. »Deine Gründe interessieren mich nicht.«
Steve ging auf diese Bemerkung nicht ein, sondern sprach einfach weiter: »Das Gut ist mir gleichgültig. Ich brauche Geld, aber das lässt sich auf viele Arten beschaffen. Nein, es ging mir nicht um das Geld, und es ging mir nicht um das Gut. Ich habe zwar Interesse am Weinbau, aber du interessierst mich mehr.«
Amber sah erstaunt auf. Es waren weniger die Worte, die sie aufhorchen ließen, sondern vielmehr der Tonfall, in dem Steve sie hervorbrachte. Sie sah ihn an, und ihr Gesichtsausdruck signalisierte Aufmerksamkeit.
»Ja, ob du es glaubst oder nicht, du hast mir vom ersten Tag an gefallen«, sprach Steve weiter. »Ich habe mich um dich bemüht, doch du hast es einfach nicht zur Kenntnis genommen.« Er lachte auf, aber es klang wehmütig. »Ich habe sogar ein Buch über Weinbau gelesen, um dich zu beeindrucken. Doch du hast mich nie bemerkt. Wenn dein Blick auf mich fiel, so nahm er mich nicht wahr. Wenn meine Worte erklangen, so erreichten sie doch nie dein Ohr. Ich war Luft für dich.«
Er brach ab und sah Amber an. Sie wusste nichts zu erwidern, denn sie konnte sich tatsächlich kaum an Steve erinnern, wusste im Grunde überhaupt nichts von ihm.
»Eines Tages sah ich, wie du mit Jonah Blicke gewechselt, ihn angelächelt, ihm im Vorübergehen kurz über den Arm gestrichen hast – alles das mit ihm getan hast, was ich mir wünschte. Ich begann eifersüchtig zu werden. Was hatte dieser Schwarze, was ich nicht habe? Mein Gott, jeder weiß, dass die Schwarzen nicht besser als Tiere sind. Und niemals hätte ich gedacht, dass ein so schönes und kluges Mädchen wie du, Amber, sich mit solchem Vieh abgeben könnte. Ich begann dich zu beobachten. Nein, ich begann euch zu beobachten, wann immer ihr zusammen wart. Nie habt ihr mich bemerkt. Ich war für euch so wichtig wie ein Staubkorn, das der Wind durch die Nacht treibt.«
»Warum erzählst du mir das alles?«, fragte Amber. Sie wollte sich Steves Worten verweigern, doch sie konnte nicht verhindern, dass die Worte in sie drangen und sich in ihr festsetzten.
Steve seufzte, dann lächelte er schief. »Weil ich dich liebe, Amber. Ich habe dich immer geliebt. Und weil ich mir wünsche, mit dir glücklich zu werden. Ich möchte Kinder mit dir haben und mit dir alt werden.«
Er lachte und fuhr sich mit der Hand über das Kinn. »Ich kann nicht glauben, dass ich solche Worte sage. Sie sind kitschig und unmännlich. Aber sie drücken genau das aus, was ich fühle.«
Er rückte nach vorn, griff über den Tisch nach Ambers Hand. »Lass uns versuchen, miteinander glücklich zu werden. Lass es uns wenigstens versuchen. Um eine einzige Chance bitte ich dich. Mehr nicht.«
Amber entzog ihm die Hand und sah ihn an. Er war ihr Ehemann und würde es lange, lange bleiben. »Bis dass der Tod euch scheidet«, hatte der Priester vor dem Altar gesagt. Amber hatte gedacht, dass der Tod kein zu hoher Preis wäre, um von Steve loszukommen. Es gab Schlimmeres als den Tod. Das Leben, zum Beispiel. Aber sie konnte nicht in den Tod gehen, denn Jonahs Kind wuchs in ihr. Es brauchte sie noch. Ihr Vater brauchte sie noch. Sie musste noch bleiben. Und zwar an Steves Seite.
Hatte er nicht recht, wenn er bat, sie mögen es wenigstens versuchen? Amber verabscheute ihn. Sie hasste
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