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Unter dem Wolfsmond – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Alex-McKnight-Serie (German Edition)

Unter dem Wolfsmond – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Alex-McKnight-Serie (German Edition)

Titel: Unter dem Wolfsmond – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Alex-McKnight-Serie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Hamilton
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nicht?«
    Ich öffnete die Beifahrertür für sie. »Das mit dem fehlenden Fenster tut mir leid«, erklärte ich. Ich stieg auf meiner Seite ein, drehte den Zündschlüssel und schaltete die Heizung ein.
    »Sie fühlen den Mond nicht, oder?« fragte sie.
    »Nein«, sagte ich. »Leider.«
    »Es ist der Wolfsmond, müssen Sie wissen. Der erste Vollmond des Jahres.«
    »In einer Minute wird es wärmer«, versprach ich. »Ich sollte eine Decke dabeihaben.«
    »Sie halten mich für verrückt, oder?«
    »Nein«, sagte ich. Ich hörte auf, an der Heizung herumzufummeln, und sah ihr direkt ins Gesicht, so daß sie sehen konnte, daß ich die Wahrheit sagte. »Ich kenne wirklich Verrückte, glauben Sie mir.«
    »Sagen Sie jetzt nichts. Das ist eine weitere lange Geschichte.«
    »Ja.«
    »Und das Fenster hier?« fragte sie und klopfte gegen die Plane.
    »Eine weitere lange Geschichte«, sagte ich.
    Sie veränderte die Position des Sackes auf ihrem Schoß. »Macht es Ihnen auch bestimmt nichts aus?«
    »Ich hatte eine Absage«, sagte ich. »Die Hütte steht wirklich leer.«
    »Ich weiß das echt zu schätzen. Ich muß nur ein paar Stunden schlafen. Dann kann ich auch wieder klar denken.«
    Ich fuhr den Wagen vom Parkplatz und dann auf der Hauptstraße nach Norden. Nicht sehr weit die Straße hoch gibt es eine Stelle, an der die Bäume aufhören und man über die ganze Bucht sehen kann. Noch vor wenigen Wochen hätte man dort die Frachter hinter den Schleusen vor Anker liegen sehen, wie sie auf ihrer letzten Fahrt vor dem Frost auf günstiges Wetter für die Fahrt nach Duluth warteten. Aber heute abend war es so dunkel, daß man kaum das Eis sehen konnte.
    »Sind Sie sicher, daß Sie diesen Wolfsmond nicht spüren können?« fragte sie. Sie hatte sich im Sitz zurückgelehnt. Ihre Stimme war ein leises Murmeln, das dem Rauschen des Windes die Kraft zu nehmen schien; der Effekt war hypnotisch.
    »Ich wüßte nicht, wie man den Mond überhaupt fühlen kann.«
    »Sie haben es nur vergessen. Ihre Vorfahren haben es gewußt.«
    »Ist das so?«
    »Sie meinen, das ist was Indianisches, nicht wahr? Daß der Mond Namen hat?«
    »Ist es das nicht?«
    »Nein«, erläuterte sie. »Das ist keltische Mythologie. Als Teenager habe ich mich mit dem ganzen Kram intensiv beschäftigt. Heidnische Rituale, Hexerei, Tarotkarten. Alles, nur nichts Indianisches. Ich wollte keine Indianerin sein.«
    Die Schneeflocken wehten gegen die Scheinwerfer. Es wirkte so, als führen wir sehr schnell.
    »Das ist Ihr Mond, Alex. Mr.   McKnight aus dem schottischen Hochland. Der Wolfsmond gehört Ihnen, nicht mir.«
    »Ich bin noch nie in Schottland gewesen«, sagte ich. »Jackie ist dort geboren. Dann ist es wohl sein Mond.«
    »Sie haben dasselbe Blut«, meinte sie. »Warum sonst wohl gehen Sie jeden Abend dorthin?«
    »Weil ich keinen Fernseher habe.«
    Sie lachte. Oder sie kam so nahe an ein Lachen heran, wie es ihr an diesem Abend möglich war. »Jeder Mond hat eine bestimmte Botschaft, müssen Sie wissen. Wissen Sie, was der Wolfsmond bedeutet?«
    »Nein. Was bedeutet er denn?«
    »Wolfsmond heißt, daß es an der Zeit ist, die Leute um einen herum zu beschützen, weil Wölfe vor der Tür lauern.«
    »Verstehe.«
    »Das soll nicht etwa heißen, daß Sie mich beschützen sollen«, sagte sie. »Das will ich damit nicht sagen. Ich kann auf mich selbst aufpassen.«
    »Okay«, sagte ich.
    »Das sagt der Mond. Nicht ich.«
    »Okay.«
    Der Schnee bildete jetzt eine feste Schicht. Eine ganze Weile starrte sie auf die Straße und sagte dann: »Obwohl ich nichts dagegen hätte, wenn Sie jetzt die ganze Nacht einfach weiterfahren wollten. Einfach sehen, wie weit man kommt.«
    »Dorothy …«
    »Fahren Sie weiter«, sagte sie. In ihrer Stimme war plötzlich ein rauher Ton. »Einfach weiter. Schaffen Sie mich um Himmels willen hier weg.«
    »Diese Straße führt geradewegs auf den Point«, erklärte ich. »Nach zwanzig Kilometern geht es nicht mehr weiter. Sozusagen eine Sackgasse.«
    »Die Geschichte meines Lebens«, sagte sie. Die Schärfe war aus ihrer Stimme verschwunden, genauso plötzlich, wie sie gekommen war. »Wissen Sie eigentlich, daß es auf der Isle Royale jetzt Wölfe gibt?«
    »Ich habe davon gehört.«
    »Ich meine nur, weil wir gerade von Wölfen reden. Wissen Sie, wie sie dahingekommen sind?«
    Isle Royale war eine Insel mitten im Lake Superior. Die ganze Insel stand jetzt als Nationalpark unter Naturschutz. »Sie sind übers Eis gekommen«, meinte ich.

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