Unter dem Wolfsmond – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Alex-McKnight-Serie (German Edition)
zerbrochen, als ob jemand die Wohnung zerstören wollte.«
»Zwei Uhr«, sagte ich. »Die Nacht, in der er … Okay, erzählen Sie bitte weiter. Haben Sie gesehen, wer es war? War es Bruckman?«
»Ich habe niemanden gesehen«, sagte sie. »Ich hatte Angst, auch nur aus dem Fenster zu schauen.«
»Was ist passiert, als die Polizei kam?«
»Wer auch immer in der Wohnung gewesen ist, war verschwunden, als die Polizei kam. Sie sind hochgegangen und haben sich alles angeguckt. Die Wohnung war komplett ruiniert. Wenn ich an all die Zeit denke, die Joe damit verbracht hat, sie herzurichten …«
»Ihr Ehemann?«
»Ja«, sagte sie. »Er ist leider von mir gegangen vor – mein Gott, sind das schon sieben Jahre?«
»Sie haben gesagt, daß die Polizei Samstagmorgen wieder hier war?«
»Ja, sie sind zurückgekommen. Sie haben weitere Fragen gestellt, nach der jungen Frau, die bei ihm gelebt hat.«
Das ergab einen Sinn. Freitagnacht hatte er die Wohnung zu Kleinholz geschlagen, vielleicht, als er gesehen hatte, daß sie verschwunden war. Am nächsten Tag kam die Polizei zurück, als sie erfahren hatte, daß Dorothy gekidnappt worden war.
»Kann ich die Wohnung mal sehen, Mrs. Hudson?«
»Ich wüßte nicht, warum nicht«, sagte sie. »Lassen Sie mich nur eben meinen Mantel anziehen. Schneit es schon?«
»Es schneit«, sagte ich.
»Alle meine Freunde halten mich für verrückt«, sagte sie, als sie sich einpackte. »Sie sind jetzt alle unten in Florida.«
»Ach, was gibt es da schon?« sagte Leon, während er sich den Mantel anzog. »Bloß Orangenbäume und Sonnenschein.«
»Und alte Leute, die aufs Sterben warten«, fügte sie hinzu. »Ich lebe lieber irgendwo, wo man in Bewegung bleiben muß.«
Sie führte uns zur Hintertür hinaus über einen Weg, auf dem der neugefallene Schnee uns bis an die Knöchel reichte. Die Garage war größer als das Haus und bot drei Autos reichlich Platz. An der Seite war eine Außentreppe, die zum Apartment hochführte. »Passen Sie auf der Treppe auf«, sagte sie. »Ich hatte noch keine Gelegenheit, den Schnee wegzufegen.« Ich wollte sie festhalten, ihr die Treppe hochhelfen, aber sie ging direkt die schneebedeckten Stufen hoch, bevor ich sie berühren konnte. Als wir oben angekommen waren, stieß sie die Türe auf. Die Fassung war aufgebrochen, genau wie bei mir.
»Ist das Freitagnacht passiert?« fragte ich sie.
»Ja«, sagte sie. »Es sieht ganz so aus, als hätte jemand die Tür regelrecht eingetreten.«
»Aber wenn es Bruckman gewesen wäre …«
»Ich weiß es nicht«, sagte sie. »Vielleicht hatte er in der Nacht keinen Schlüssel. Vielleicht hatte ihn die junge Frau.«
»Gut möglich.« Ich sah nach drinnen. »Das kommt mir bekannt vor«, sagte ich. Die Wohnung war verwüstet worden. Der Inhalt aller Schränke und Küchenschubladen auf dem Boden verstreut, alle Polstermöbel aufgeschlitzt. Es gab einen Unterschied: Ich zählte drei zerbrochene Hockeyschläger.
»Die Polizei hat mich gebeten, noch nicht aufzuräumen«, sagte sie. »Und sie hat mich gebeten, niemanden hineinzulassen.«
»Ich verstehe«, sagte ich. »Ich wollte nur mal einen Blick drauf werfen.« Leon stand neben mir im Eingang und sah sich alles so genau an, als wolle er die Einzelheiten auswendig lernen.
»Es ist für mich unerträglich, daß ich dieses Durcheinander nicht beseitigen darf«, sagte sie. »Wenn Joe die Wohnung jemals so gesehen hätte …«
»Sieht so aus, als wäre es hier mal gemütlich gewesen«, sagte ich.
»Wissen Sie, was komisch ist? Bei all dem Ärger, den die Leute mir gemacht haben, meinen Sie, hier wäre jemals Durcheinander gewesen? Ich bin zweimal hiergewesen, wenn ich wußte, daß sie weg waren, nur um zu sehen, ob alles in Ordnung war …«
»Ja?«
»Ich schwöre bei Gott, Mr. McKnight, die Wohnung war tipptopp. Die Küche, das Bad, alles pieksauber. All der Lärm hier, all die Leute, die hier durchgetrampelt sind. Man kann von ihnen sagen, was man will, aber die haben hier alles sauber gehalten. Und jetzt das. Ist das nicht merkwürdig?«
»Das ist merkwürdig«, sagte ich. »Andererseits, wenn ihn etwas richtig in Fahrt gebracht hätte …«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich verstehe die Leute nicht mehr«, sagte sie.
»Mrs. Hudson, ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie dankbar ich Ihnen bin, daß Sie soviel Zeit geopfert haben, um uns zu helfen.«
»Ich hoffe, daß sie den Kerl kriegen.« Sie sah mir lange in die Augen. »Aber Sie suchen nur nach dem
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