Unter dem Wolfsmond – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Alex-McKnight-Serie (German Edition)
Rutschen und wäre fast wieder von der Straße abgekommen. Der Kerl hat keine Ahnung, wie man im Schnee fährt, dachte ich. Und wie sie da losgefahren waren, fast ohne ein Wort des Dankes. Hätte ich es nicht besser gewußt, hätte ich schwören mögen, daß die Jungs meine Hilfe gar nicht nett gefunden hatten.
Kapitel 10
Ich fuhr weiter zum Soo und fragte mich, wann ich wohl meine neuen Freunde wieder im Rückspiegel sähe. Der Schnee fiel jetzt dichter, in großen nassen Flocken, die an der Windschutzscheibe klebten und mich kaum erkennen ließen, wohin ich denn in drei Teufels Namen fuhr.
Ich rief noch einmal im Büro des Sheriffs an. Bill war nicht da, und seine Privatnummer wollten sie mir noch immer nicht geben. Ich hinterließ wieder eine Nachricht für ihn, mich so bald wie möglich anzurufen. Ich hatte keine Lust, einem Deputy übers Telefon zu erklären, daß mir zwei Männer quer durchs Chippewa County gefolgt waren. Ich wollte Bill am Schreibtisch gegenübersitzen, oder besser noch in einer Kneipe, er würde mir zuhören und sich alles aufschreiben.
Ich fuhr in den östlichen Teil der Stadt, in die Nähe des Eisstadions, wo der ganze Unsinn seinen Anfang genommen hatte. Die Wohnung lag in einem Viertel an der Spruce Street, in der Nähe des alten Fabrikgeländes der Union Carbide. Laut Karte ist das jetzt ein ›stark belastetes Gebiet‹. Im Sommer ist das ein großes Areal mit Unkraut und Büschen, das niemand betritt. Im Winter liegt hier halbmeterhoch der Schnee wie überall, und man denkt nicht weiter dran. Die Häuser sind klein und die Fenster mit Plastik verklebt, um sie vor dem Wind zu schützen, der hier vom St. Marys River herüberweht.
Ich sah Leon Prudells kleinen roten Wagen in der Einfahrt des Hauses stehen. Die Schneebänke links und rechts von der Einfahrt waren so hoch wie der Wagen selbst, und fast hätte ich ihn übersehen. Ich fand gerade genug Platz, um meinen Wagen abzustellen und mich zwischen Auto und Schneewand hindurchzuquetschen, um zur Eingangstür zu gelangen. Als ich klingelte, wurde die Tür von einer älteren Frau mit dicken Brillengläsern und dem ersten ehrlichen Lächeln geöffnet, das ich seit Tagen gesehen hatte. Wie sie mitten im Winter so lächeln konnte, war mir ein Rätsel, aber es machte sie mir auf Anhieb sympathisch. Sie trug einen dicken weißen Pullover und hatte in der einen Hand eine Kaffeetasse, während sie mir mit der anderen die Tür aufhielt. »Sie müssen Mr. McKnight sein«, begrüßte sie mich.
»Jawohl, Ma’am. Und Sie müssen Mrs. Hudson sein.«
»Kann ich Ihnen einen Kaffee anbieten? Mr. Prudell und ich haben hier eine kleine Party veranstaltet, während wir auf Sie gewartet haben.«
»Ich muß mich für meine Verspätung entschuldigen«, sagte ich. »Offen gestanden, ein heißer Kaffee würde mir jetzt richtig guttun.«
»Mr. Prudell und ich haben gerade Apfelkuchen gegessen. Kann ich Ihnen ein Stück abschneiden, wenn ich sowieso in der Küche bin?«
»Sie müssen den Kuchen probieren«, sagte Leon. Jetzt, wo sie es sagte, bemerkte ich die vielen Krümel auf Leons Hemd.
»Das klingt wunderbar«, sagte ich. »Wenn es Ihnen nicht zu viel Mühe macht.«
»Setzen Sie sich doch«, sagte sie. »Ich bin gleich wieder da.«
Als sie ging, sah ich mich kurz im Zimmer um. Es gab viele Schwarzweiß-Fotos von Kindern und Farbaufnahmen, die dann wohl die Enkel zeigten. Der Raum war klein, wirkte aber gemütlich und gepflegt. Auf Leons Sofa war ein Schonbezug aus Plastik. »Was hat Sie aufgehalten?« fragte er.
»Ich mußte zwei Jungs helfen, die im Schnee steckengeblieben waren«, sagte ich. Ich setzte mich aufs andere Ende der Couch. Der Plastikbezug machte ein Geräusch wie Popcorn beim Rösten.
»Dann werde ich Sie rasch briefen, Alex.«
»Mich briefen?«
»Ja, Sie hinsichtlich der heute von mir beschafften Informationen auf den neuesten Stand bringen.«
»Können Sie mir nicht auch einfach erzählen, was los ist?« schlug ich vor. »Wo hat Bruckman denn nun gewohnt? Hier drüber?«
»Nein, es gibt eine große Wohnung nach hinten raus über der Garage. Er hat sie vor etwa sechs Wochen gemietet.«
»Und wie haben Sie sie gefunden?«
Prudell lehnte sich nach vorn und warf einen verstohlenen Blick um die Ecke auf Mrs. Hudson in der Küche. »Ich mußte mit ein paar Franklins um mich werfen, Alex, aber es hat sich gelohnt.«
»Franklins? Was meinen Sie damit, Fünfzig-Dollar-Scheine?«
»Nee, Hunderter. Auf den
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