Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Unter dem Zwillingsstern

Titel: Unter dem Zwillingsstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
Vom Netzwerk:
wechsel t e sie das Th e m a. »Glauben Sie, daß die Unterstützung durch Alfred Hugenberg eine wesentliche Rolle bei Hitlers S ieg gespielt hat ? «
    »Auf jeden Fall, aber ich halte das für gar n i c h t so schlecht. Durch das Bündnis m it Hugenberg zeigt sich nä m lich in aller Deutlichkeit, wie ›sozialistisch‹ diese sogenan n ten Nationalsozialisten sind. Hugenberg wird schon bald seinen Lohn einfordern, und dann werden sich die Arbeiter nicht m ehr bet r ügen lassen. Wenn Sie meine ehrliche Meinung erfahren wollen: Ich hielte es sogar für gut, wenn sowohl Hugenberg als a u ch Hitl e r i n s Kabinett kä m en. Es wäre die logische Konsequenz aus d e m W a hlergebnis, w ürde den Notstandsverordnungen ein Ende setzen, und die Herren wären gezwungen, Farbe zu bekennen. Als bestechliches W erkzeug des Kapitalis m us bloßgestellt, wäre Hitler viel schneller desavouiert, als wenn m an ihm gestattet, weiter in d e r Opposition zu bleiben.«
    Während ihr Stift stenographis c he Kürzel auf d e m Notizblock m achte, ver s uchte Käthe sich zu sagen, daß der G enosse Münzenberg recht h atte, aber s i e kam nicht u m hin, ihre letzte Frage in einem unsachlich an g espannten T on zu stelle n :
    »Und die jüdische Frage? Halten Sie es für wah r scheinlich, daß die NSDAP, sollte s i e an d e r Regierung beteili g t werden, zu m i ndest in dieser Beziehung ihre Wahlka m pfve r sprechen hält ? «
    Münzenberg m achte eine wegwerfende Handbewegung. »Zum Pässebesorgen und Kofferpacken liegt gar keine Veranlassung vor. Um den Juden eins auszuwische n , m üßte m an die Verfassung ändern. W o ist die nötige Zweidrittel m ehrheit? U nd selbst eine Diktatur, an der d och Hitler n ur bete i ligt wäre, würde es n i cht zu anti s e m itisc h en Exzessen kommen lassen, d enn der Antise m itis m us ist nichts m ehr als ein Aushängeschild, um die Arbeiter vom Klassenka m p f abzulenken, und die Mitdiktatoren w ürden ihn nur belächeln.«
    Vor einigen Jahren noch hätte s i e ihm ohne Bedenken zugestim m t . Aber der Genosse Münzenberg leb t e nicht in München, wo es die Nazis inzwischen gesc h a ff t hatten, den Antis e m itis m us alltäglich zu m achen, und wo selbst linksge r ic h tete Ve r lage wie Ullstein inzwischen Mitarbeiter m it Nachna m en wie Bernstein oder Wasser m ann baten, sich »weniger jüdische« Pseudony m e zuzulegen. Nein, was auch im m er der Antisemitis m us f ür die Na z is w ar um ein ablegb a res Aushän g eschild han d elte es sich nicht. K ä the dankte W illi Münzenberg für seine Gesprächsbereitschaft und verließ ihn.
    Drei Tage n ach der W ahl war e n tschieden, daß B r üning weiter, wie bisher, m it Hilfe der Notstandsverordnung und ohne eine Mehrheit regieren würde, und es bestand f ü r Käthe keine Veranlassung m ehr, länger in Berlin zu b l e i b en. Sie l i eß sich von Carla überreden, ihren Aufenthalt noch einen T ag zu verlängern, um sie im Schwierigen zu erleben, und b e m ühte sich ein m al m e hr vergeblich, zu begreifen, was Carla in diesem Beruf s ah. Außerdem w ar i hr n i cht k l a r , w o d er be rüh m te Zauber der Reinhardtschen I nszeni e run g en liegen s o llte. Der Mann an sich war ihr be reits sus p ekt; ein Schauspield i rektor, der sich ein Schloß kaufte und dort von Erzbischöfen bis zu a m erikanischen Fil m stars mehr oder weniger zweifelha f te Berü h m theiten emp f ing prätentiöser ging es kaum. Und dann die Aus w ahl des Stückes. Es handelte sich um eine in diesen Zeiten denkbar unpassende Gesellschaftsko m ödie ohne jeden Tiefgan g . Die Schauspieler verkörperten ihre Rollen hervorragend und unterhielten ihr Publiku m , gut, aber Käthe ka m en beide, Zuschauer wie Darsteller, wie Trau m t änzer v o r. Wenn Carla schon auf der Bühne stehen m ußte, warum tat sie das nicht in politisch relevanten Inszenierungen wie denen von Piscat o r oder in neuen, gegenwartskritisc h en Stücken wie denen von Brecht?
    Als sie das, etwas ta k t v o ller for m u liert, fragte, erwiderte Carla belustigt: »Kathi, ich wußte gar nicht, daß Sie sich so f ürs Th e ater i n teressieren. W oher kennen Sie denn diese Na m en ? «
    »Ich lese Zeitung«, sagte Käthe leicht gekränkt, »und da du dich nun ein m al für diesen Lebensweg entschieden hast, bemühe ich m i ch, so viel wie m öglich darüber zu erfahren.«
    Carla u m ar m t e sie. »D a s ist lieb von Ihnen. Nun, die Antwort lautet schlicht und einfach, daß ich hier ein Engag e m

Weitere Kostenlose Bücher