Unter dem Zwillingsstern
es ihnen in der Kehle steckenblieb.
Holperts Pr o test, »Ich bin Cinna der Poet!«, war im m er noch m ehr indigniert als angsterfüllt, aber er wich unter dem Druck der Darsteller, die wie aus dem Nichts auftauchten und ihm jeden Ausweg abschnitten, wie ein gestelltes W ild hierhin und dorthin.
»Es tut nichts, sein Name ist Cinna«, wurde zu einer Phrase, die Robert vom vierten Bürger des Stückes auf die meisten Statisten verteilt h atte, a nschwellend laut ge m ur m elt. Das letzte, was m an von Holpert sah, ehe er die R a m pe h i nunter ins Nichts versch w and, war eine in blutrotes L icht getauch t e, erhobene Hand, begleitet von dem protestierenden Schrei: »D E R D ICHTER !«
Es war ein überwältigender Tri u mph, an dem auch der U m stand nichts änderte, daß Robert als Brutus m angels Übung gelegentliche Gedächtni s lücken in seinem Text hatt e ; er improvisie r te, was ihm leichtfiel, bis er das nächste S t ichwort fand. Das einzige, was ihn störte, war, daß Carlas Generalprobe, die bei R einhardt bis in den frühen Morgen ging, sie an diesem Abend daran hinderte, hierzusein und zu erleben, wie die Berliner sich von ihren Stühlen erhoben, u m seine Inszenierung zu feiern. Bisher war es m e hr ein Scherz gewesen, doch nun e m pfand er es im Ern s t; sie sollte hiersein, teilhaben, und daß sie es nicht tat, nahm er ihr übel. Vielleicht lag es daran, daß er von all den Bewunderern, die nach dem letzten Vorhang hinter die Bühne kamen und m it ihm sprechen wollten, ausgerech n et Monika von Antwolfen aufforderte, an der anschließenden Pre m ierenfeier teilzuneh m en.
»Das war überwältigend, Robert«, sagte sie; in der zwanglosen A t m osphäre von Lubeldorf war der letzte Rest ihrer Zurückhaltung ihm gegenüber gesch m olzen, und seither hatte sie für ihre Verhältnisse durchaus deutlich ge m acht, daß sie sich für ihn int er essi e r te.
»Ich neh m e jetzt richtige Stunden, a b er ich kann wohl kaum hoffen, in einem solchen Ensemble m itzuwirken.«
» W ir werden sehen«, m einte Robert diplo m atisch, m usterte ihre von Erwartung durchglühte Gestalt und wiederholte, in einem anderen Ton: »Wir werden sehen.«
11. K APITEL
Die Pre m iere des Sommernachtstraums wurde von der Kritik gespalten aufgenommen; m an honorierte, daß Reinhardt junge Schauspieler und ein neues Bühnenbild, eine riesige, weit au f gerissene Stufenbühne, deren Pfeiler entweder als Bau m st äm m e oder als Palastsäulen fungierten, benutzt hatt e , statt seine legendäre Inszenierung im Jubiläu m sjahr einfach zu w i ederholen und sich auf die etablierten Größen seiner Bühnen zu stützen. Aber m an warf i h m vor, zuviel Mendelssohn und zuwenig D r a m a zu präsentieren, »Balletteinla g en m it Shakespeare«, wie ein Kriti k er sc h rieb, und nannte das Ganze eine alt m odische Prunkentf a ltung ohne jeden zeitgenössischen Bezug.
Für die Mitwirkenden waren an d e m Abend selbst keine Differenzen spürbar; das Publikum war begeistert. Der zynische Teil von Carlas Ver s tand teilte i h r spät e r m it, daß es bei einer solchen Jubiläu m sveranstaltung, gerührt und nostal g isch, kaum anders hätte sein können, doch als sie m it den ander e n auf der B ühne stand und sich verbeugte, hatte sie s e lbst Tränen in den Augen und genoß schlicht und einfach den Applaus und das Empfinden, Teil von etwas Schönem g e wesen zu sein. Es unterschied sich von der erschöpfenden, überwältigenden Erfahrung, die das S p ielen einer Hauptrolle für sie bedeutete. S i e war noch nicht ein m al m ehr neidisch auf L ore Anne Moshei m , die den Puck spielte; es schien, als würde sie die in ihr Unglück verliebte Helena, das große Kind, aller Abwehr m echanis m en entkleiden.
W i e alle anderen Frauen erhielt sie von Reinhardt einen Blu m enstrauß, aber zu ihrer Überraschung fand sie in der G a rderobe, die sie m it Vi l m a Degischer, der Her m ia, teilte, einen weiteren Strauß vor.
» W eiße und rote Rosen«, sagte V il m a Degischer neugierig. »Also das ist doppeldeutig. Mach doch die Karte auf!«
Robert und sie hatten vereinbart, s i ch keine Blu m en zu Pre m ieren zu schenken, auf Carlas Vorsc h lag hin, denn sie konnte rechnen, auch wenn er es nicht konnte, und sie waren beide fest davon überzeugt, daß es unendlich viele Pre m i e ren geben würde, also stam m ten die Rosen ganz bestim m t nicht von ih m . Hugo Merke u m lagerte sie schon seit einiger Zeit, und dann gab es i m m er
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