Unter dem Zwillingsstern
gearbeitet.«
»Genau, Philipp«, sagte Carla. Ihre Augen hatten sich verengt, und die gute Stimmung, die sie während des Essens gezeigt hatte, war verschwunden. » W o b l eibt dein Sinn für traditionelle W erte? Ganz zu schweigen von der Solidarität unter Landsleuten. W o Reinhar d t doch Österreicher ist. Ihr Z ugereisten solltet zusammenhalten.«
Sie warteten beide darauf, daß Phili p p j e tzt etw a s über Rei n hardts jüdische Herkunft äußerte; wozu sonst die Gold m ann-Anspielung? Doch er wechselte erne u t das The m a.
» W ie, sagten Sie, lautet der Na m e Ihres neuen T heaters ? «
»Her m es«, erwiderte R obert, und weil ihn wieder d e r T e u f el ritt, fügte er hinzu: »Sie m üssen unbedingt kom m en und sich m eine erste Inszenierung anschauen. Sie wird Ihnen gefallen.«
»Das wird sie. Viel Leder. Oder«, fuhr Carla fort und griff an die Stelle, wo nor m alerweise ihre Hand t asche hing, bis sie sich erinnerte, daß sie als Mann hier war und ihre Zigaretten in der Brieftasche steckten, »du kannst etwas Reinhardt s che Dekadenz in Kauf neh m en und m i ch als Helena im Sommerna c htstraum bewundern. Das wird dir auch ge f allen. Viel Unterwerfung.« Sie nahm eine Zigarette zwischen ihre Fingerspitzen und zitierte gedehnt: »Stoßt, schlagt mich, achtet mich gering, verliert mic h :/ Vergönnt mir nur, unwürdig wie ich bin,/ Euch zu begleiten . «
Sie schaute von Philipp zu Robert. »Hat einer der Herren vielleicht Feuer ? «
Es stellte i h re Laune wieder her, zu sehen, wie beide schnell zu ihren Streichhölzern griffen. Den ganzen Abend schon hatte es zwischen Philipp und Robert einen s u btilen W ettbewerb um den Löwenanteil an Auf m erks a m keit gegeben, und Carla konnte sich nicht helfen, sie fa n d das s ehr anregend. F ast versöhnte es sie m it Philip p s dum m er Reinhardt-Be m erkung, aber eben nur fast.
» W as würdest du vorziehe n ?« fra g te sie unschuldig. »Männer in Leder oder Frauen, die sich sc h l agen lasse n ? «
Ohne Phili p p Zeit zu g e ben, das zu verdauen, s e tzte Robert, während er Carla unter dem Tisch leicht m it dem Fuß anstieß, hinzu:
» W arum nicht beides ? «
Sie schauten beide zu Philipp, gespannt auf seine Reaktion. Er konnte vorgeben, ihr double entendre nicht zu verstehen, und wörtlich antworten, ein weiteres Mal a u sweichen oder auf Rettung durch den Kellner hoffen. In j edem Fall war er wie d er in der na chteiligen Position. S t att dessen überraschte er sie; er ergriff C a rlas freie Hand, die auf d e m Tisch lag, bog blitz s c h nell i h ren kleinen Finger zurück und kom m e ntierte dabei: »Ich denke, ich werde m i ch m it erneuerten Lektionen f ür Schul m ädchen zufriedengeben.«
Er stand auf und nickte knapp zu Robert hinüber. »Herr K önig.« D a m it ging er.
»Autsch«, sagte Robert. »Nun, das m acht seine Präferenz deutlich. Auch eine Antwort.«
Robert ver b rachte den nächsten M orgen da m it, sei n e e n t n ervten Mitstreiter zu versöhnen und erst mit Nina Rebendorf und Hel m ut Holpert, d a nn m it jed e m Volksda r steller noch ein m al die Cinna-Szene durchzugehen. »Hel m ut, du hatt e st r e cht. Kein Fin- d e-si è cl e- Dichter.« H el m ut Holpert seu f zte erl e ichtert a u f . »Aber der Lese r briefschreiber kom m t mir noch zu klein vor. W ie wäre es, wenn du ihn als wirklich berüh m ten Schri f tst e ll e r s p iel s t? Tho m as M a nn oder Gerhart Haupt m ann ? «
Holperts Gesicht erhellte sich. »Er wartet auf den Nobelpr e is ist erfreut, erkannt zu wer d en? Hat v ie l leicht einige Gedichte oder Ro m anauszüge in den Taschen ? «
»Genau. Zieh das so lange wie m öglich heraus der Dichter der Nation, huldvoll bereit vorzulesen, wenn es denn sein m uß. Und während Hel m ut das tut, verände r n wir das Licht auf der B ühne. Es wird r ö ter u nd röt e r. U n d es kom m e n im m er m e hr Leute dazu, die ihn u m zingeln. Einer nach dem anderen…«
Am Schluß war es das Herz der I n szenierung: Cinna der P oet, der einer m ordlustigen Menge begeg n et, der seine törichte Unschuld gleich i s t. Einer aufgehetzten, bl u tgierigen M asse, d ie n ur ei n es sucht: einen Sündenbock, gleich wen. Holperts w ürdevolle, gravitätische Antworten auf die absurden Fragen, sein hoffnungsvolles Zupfen an dem Manuskript in seiner Tasche und seine deutlich an Tho m as Mann angelehnte Maske Robert war begeistert über diesen speziellen Einfall gewesen brachten die Zuschauer zum Lachen, bis
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