Unter dem Zwillingsstern
sprachen nicht m ehr m itei n ander, als unbedingt nötig.
Rundfunk und Somme r nachtstraum bildeten nicht Carlas einzige Beschäftigungen, während der Okt o ber in den Nov e m ber überging. Philipps Be m erkung h i nsichtlich von Idealen ging ihr gegen ihren W illen nach, wenn au c h gewiß ni c ht auf die b eabsic h ti g te W eise, und als sie ein Schreiben von Käthes alter Freundin, Constanze Hallgarten, erhielt, in dem sie gefragt wurde, ob sie sich Anfang des nächsten Jahres an einer pazifis t ischen Veranstaltung beteiligen würde, sagte sie zu. Sie fing an, m ehr auf die Nachrichten zu achten und die Bücher zu lesen, die Käthe ihr unverdrossen schickte.
»Robert, wie wäre es m it einer halben Stunde anti m ilitaristisc h er Gedichte? Kästner, Tucholsky, du w eißt schon. Bei Tucholsky kann der Rundfunkrat schlecht nein sagen, schließlich spielen sie die ganze Zeit die Chansons mit seinen Texten.«
»H m . Die Rechte liegen bei der Weltbühne, oder ? «
»Sag bloß, du bist im m er noch eingeschnappt.«
»Aber im Gegenteil. Ich frage m ich bloß, ob die ihre geistigen Ergüsse einem Oberflächling wie m i r anvertrauen werden.«
»Bobby, du willst doch nicht b eha u pten, daß es Grenzen f ü r dei n e Unwiderste h lichk e it g ibt?«
Er warf den Apfelbutzen, an d e m er gerade kaute, nach ihr, aber er be m ühte sich tatsächlich erfolgrei c h um eine halbe Stunde satirischer zeitgenössischer Gedichte, die, w i e Hörer und Geldgeber erst bei der Ausstrahlung herausfanden, sa m t und sonders pazifistisch ausgerichtet waren. Das brachte ihm und Carla das Angebot, m it einigen der Gedichte, die sie als Dialog m it verteilten Versen gesprochen hatten, ein m al in der W oche in einem kleineren Berliner Kabarett aufzutreten. Sie nah m en an, konnten allerdings immer erst zwischen elf und ein Uhr erscheinen.
Ein m al schlug die neuartige Erf a hrung eines P ubliku m s, das sich fast in Reichweite befand und nic h t schwieg, während m an r ezitierte, ins Häßliche u m , als sich einige Gä s t e la u t stark über die »freche Gesinnungslosigkeit« beschwerten und anfingen, m it Gegenständen zu werfen. Die Raussch m ei ßer wurden schnell m it ihnen fertig, doch nicht, ehe einer der ge s chleuderten Aschenbec h er Carla, di e ihn in ihrer Kur z sichtigk e it nicht rec h t z eitig hatte kommen seh e n, an der Lippe getroffen und sie zum Platzen gebracht hatte. Sie beendeten ihren Auftritt, aber hinterher m ußte sie m it einem an den Mund gepreßten, blutbefleckten Taschentuch nach Hause laufen.
»Du siehst aus wie die K a m eliend a m e«, b e m e r kte Robert, der sie begleitete, denn um diese Zeit war es nicht m ehr sicher, allein zu sein, und sie m ußte lachen, was d i e Lippe natürlich noch heftiger bluten ließ.
»Hör auf, mich zum Lachen zu bringen«, stieß sie m it zusammengepreßten Zähnen hervor. »Erzä h l mir lieber etwas Ernstes.«
Ohne stehenzubleiben, sagte er: »Heirate m i ch.«
»Aber sicher.«
»Nein, ich m eine es ernst. Du wollte s t etwas Ernstes h ör en. Laß uns heiraten.«
Sie verlangsa m te ihre Schritte und schaute ihn an. Der Lichtkegel der Laterne, unter der sie gerade liefen, z e ic h nete u n regel m äßige Schatten über seine Gestalt, und der war m e Ate m , der aus seinem Mund wich, verschwand sofort im Dunkel.
»Du weißt doch«, erwiderte sie langsam und versuchte zu sprechen, ohne die Lippen zu bewegen, was nicht im m er funk t ionierte,
»daß ich nie heiraten werde. Das weißt du doch.«
»Dann zieh m it m i r zusammen. W i r müssen ja nicht unbedingt vor den Standesbea m ten m a rschieren.«
Er be m erkte, daß sie in der Nove m b erkälte begann zu zittern, zog seinen M a n tel aus und legte ihn ihr um die Schultern. »Sag ja«, mur m elte er in ihr s ei d i g es Haar hi ne in. »Bitte s a g ja.«
»Das wäre eine Katastrophe«, f l üsterte Carla, »das wäre das Schlim m ste, was wir tun könnten.« Die Beklemmung, die in ihr hochstieg, schnürte ihr die Kehle zu. »Es würde nä m lich schiefgehen. W enn ich dich liebte, dann würde ich m i ch in dir verlieren, und dafür würde ich dich hassen. Ich m ache m i r ohnehin schon mehr Gedanken um dein Leben und deine Karriere, als ich m öchte. Und außerde m «, sie gab den Versuch auf, ihre Lippe zu schonen, und ignorierte das Blut, »könnte ich dir nie vertrauen.«
D a m it traf sie ihn. » W ieso nicht? W i r haben uns immer vertraut!«
»Ja«, erwiderte Carla, »als Freun d e.
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