Unter dem Zwillingsstern
Schwägerin bist und sie sich davon Propaganda erhoffen. Es ist das gleiche wie m it Erika Mann. W i e du siehst, bin ich über diese Veranstaltung informiert. Sie hat man ebenfalls eingeladen, aber ganz bestimmt hat es weder in ihrem noch in deinem Fall etwas m it schauspielerischen Fähigkeiten zu tun.«
Ihre souveräne Genugtuung verflog m it einem Streich. »Du Mistkerl«, sagte Carla lei s e und hob eine Hand, um ihm ins G e sicht zu schlagen, aber da er ihre Schultern immer noch festhielt, bemerkte er die Bewegung sofort und fing sie mühelos ab.
Sie starrten sich an. Der Druck seines Körpers gegen ihren veränderte sich un m erklich.
»Nein«, stieß Carla hervor, »o ne i n, jetzt ganz bestim m t nicht.«
»Ich glaube doch«, sagte Philipp, und ihr verwünschter Körper verriet sie ein weiteres Mal.
Hinterher hörte er sie in der Dunk e lheit fragen: »Eins verstehe ich nicht. Kathi hat m ich m al zu einigen Kriegsversehrten mitgeno mm en. Sie waren die glühendsten P a zifisten, die m an sich vorstellen konnte. W e nn der Krieg für dich schlimm genug war, um deinen Glauben zu verlieren, w arum denkst du dann nicht genauso?«
»Ich denke überhaupt nicht an den Krieg, wenn es sich ver m eiden läßt«, erwiderte Philipp schläfrig und in der Gewißheit, sie endlich seinem W illen unterwo rf en zu haben. »Aber er hat m ir eine W irklichkeit gezeigt, von d e r diese Klatschbasen keine Ahnung haben.«
Carla wartete, bis ihr seine Ate m z ü ge verrieten, daß er tatsächlich eingeschlafen war, dann löste sie sich vorsichtig aus dem A r m , den er während seiner letzten W orte um sie gelegt hatte, und stand auf, um ihren Koffer fertig zu packen. Als er aufwachte, war sie f o rt.
In Frau Beurens W ohnung roch es, obwohl sie inzwischen bettlägerig war, nicht nach Medizin oder ungelüfteten Kleidern, sondern nach Parf ü m ; das fiel Carla als er s tes auf, ehe sie e n tdec k te, daß s i e nicht der einzige Besuch an die s em Tag war. Der Pelzmantel, der achtlos über einem Stuhl hing, k a m i hr vage vertraut vor, und ebenso das üppige schwarze Haar der Frau, die m it dem Rücken z u ihr an Renate Beurens Bett saß. Dann dre h te sie sich um, und Carla erkannte sie.
»Eleonore«, sagte Renate Beuren, die, halb aufgerichtet in ihre Decken gehüllt, dasaß und Carla m it ihren hellen Vogelaugen sofort ausge m acht hatte, »das ist m eine Schülerin, Carla Fehr.«
»Aber ich kenne Sie!« entgegn e te Eleonore von Mendelssohn und reichte ihr die Hand. »Helena, nicht wahr ? «
W ider W illen f ühlte Carla sich g e sch m eichelt. Rein o b je k tiv b etrac h tet, dachte s ie, m üßte s ie El eonore von Mendelssohn eigentlich genauso einschätzen wie Monika von Antwol f en; eine a r i s t o kratische A m ateurin, die s ich an einen chari sm atischen Direktor hängte, nur in viel grö ß erem Stil. Aber ganz abge s ehen von i h rer alten Schulfehde fand sie in Eleonore etwas Rührend e s, eine selbstzerstörerische Tragik, die Monika einfach fehlte. A ußerdem war Carla trotz all e r v o n Käthe gepr e digten r ep u blika n ischen Ideale nicht völlig immun gegenüber dem Glanz von Eleonores Abstammung; je m and, der Philosophen und Genies zu s einer Fa m ilie zä h lte und die Düse als Kind gekannt hatte, war einfach fesselnd e r als die Nachfahrin von einigen Raubrittern.
» W ie war Ihr Skiurlaub, Kindch e n?« erkundigte sich Renate Beuren, und auf Carlas gemur m eltes »Ganz nett« hin erzählte Eleonore, die von der Schweiz bis nach A m e rika alle Skiorte kannte, einige Anekdoten über Skile hr er, Hotels u nd Schlitte n fahrten. Frau Beuren, die von einer bühnenfremden Betät i gung, bei der m an sich die Beine brechen ko n nte, nic h ts h ielt, lac h te zwar darüber, m einte aber, dieser ganze sportliche Enthusias m us h e utzutage würde junge Frauen noch irgendwann um ihre Femininität bringen.
»Und dann werden Sie nur noch A m azonen spielen können«, schloß sie. »Ich halte v o n die s er m odernen Gleich m acherei nicht das geringste. E s er m utigt die Männer n u r, einen wie einen zweitklassigen Mann statt wie eine erstk l assige Frau zu behandeln.«
Eleonore lachte. »Ich habe in d i eser Hinsicht keine Schwierigkeiten, danke.«
»Und wie war der Neujahrsball auf Leopoldskron, Eleonore ? «
fragte Renate Beuren etwas m okant.
»Anbetungswürdig«, erwiderte E leonore von Mendelssohn, ohne sich an m erken zu lasse n , daß sie w ußte, worauf Frau Beuren hinauswollte.
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