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Unter dem Zwillingsstern

Titel: Unter dem Zwillingsstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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als sie alt genug war, um es von sich aus zu lernen, lebte sie n icht m ehr in der Nähe der Alpen.
    »Ich werde über Silve s ter ein paar Tage in Gar m isch verbringen«, sagte Philipp. »Begleitest du m i ch ? «
    Das kam so nahe an einen Trostversuch heran, wie er es verbal fertigb r achte, u nd deswegen willi g te si e ein. Es er wies sich, wie alles, das m it Philipp zu tun hatte, als e i ne sehr ge m ischte E rfahrung. Das Ski f ahren s e lbst l e rnte sich schn e ll u nd m achte ihr gro ß en S paß; s ie brauchte sich nicht lange m it Schneepflügen aufzuhalten, und m i t Schwung die Hänge hinunterzugleiten, die Kurven nur durch Einsatz des Skistocks und die richtige K örperhaltung zu bewältigen, der Rausch der sich ständig steige r nden Geschwindigkeit und selbst die gelege n tlic h en Stürze, a ll das ließ sie nur bedauern, es nicht früher versucht zu haben. Aber die ga n ze Z eit m it Philipp zusam m enzusein brachte auch all die Gründe für ihre Antipathie wieder zum Vorschein. Selten tagsüber, denn sie stellte fe s t , d aß Philipp sich auf Skiern genauso von seinem sonstigen Selbst unterschied, wie er es im Bett tat, und wenn sie nicht wüt e nd auf ihn war, zerbrach sie sich den Kopf darüber, warum der Mann sich nur, wenn er S port trieb oder m it ei n er Frau sc hl ie f , gest at tete, so etwas wie Entzücken oder Verwundbarkeit zu zeigen. Lag es an der körperlichen E r schöpfung in beiden F ä lle n ? Anso n sten ver h i e lt er sich n ämlich so h a s s enswert wie im m er. Wenn sie am Abend gelegentlich B ekannte von ihm trafen, stellte er sie vor, als handele es sich bei ihr um ein a m üsantes Spielzeug, das er gerade neu erworben hatte.
    »Ja, da schau her, die kleine Fehr, sauber!« sagte einer von ihnen, und er und Philipp lac h ten.
    Das war der Mo m ent, a n dem sie beinahe abgereist wäre. Die Gesprächsthemen, über die sich d i e Herren, denn weibliche Bekannte nah m en nach einem m ißbilligend e n Blick auf Carla schnell Abstand, bei ihrem Glühwein unterhielten, w aren entweder geschäftlich (»Davon verste h en Sie nix«) oder politi s ch, und dann bek a m sie ständig die gleichen Phrasen zu hören, wobei m an ebenfalls von ihr erwartete, stumm z u nicken. Zie m li c h schnell riß ihr die Geduld.
    »Ach, übrigens«, unterbrach sie eine Tirade gegen den Young-Plan, den neuesten Vorschlag des Völkerbunds, um endlich das Problem m it den Reparationen aus dem W eltkrieg zu lösen, »i ch werde am 13. Januar in München auftreten, bei der Tagung der Int e rnationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit. Sie sind alle herzlich eingeladen. Es wird sogar eine Delegierte aus Paris kommen, aber ich würde mich freuen, wenn Sie bei m ir a m m e isten applaudierten.« Die W i rkung war besser, als sie es erhofft hatte. Die anderen drei Anwesenden schauten offen schockie r t dr e i n, Philipp v e rst e ine r t. Weil sie ihm noch etwas wegen sei n er Besitzerallüren schuldete, beschloß sie, ihren Abgang m it einem letzten Hieb zu krönen. Sie stand auf und küßte ihn auf die W ange.
    »Bis nachher, Liebling«, sagte sie vertraulich. »Es ist so schön, einen starken Mann zu haben, der hin t er einem steht. Bleib nicht zu lange, sonst werde ich noch eifersüchtig.«
    In der Stille, die in diesem Eck der Skihütte herrschte, hätte m a n eine S t ecknadel fallen hören könn e n, wenn die übrigen Gäste nicht für den üblichen Lärm gesorgt h ä tten. Carla w i derstand der Versuchung, sich u m zudrehen, und ging in d e m B e wußtsein, daß ihr vier Paar Augen bis zur Tür f olgten.
    Als Philipp ka m , packte sie berei t s. Er r i ß i h r den Koffer aus der Hand, packte sie bei den Schultern und preßte sie gegen die W and. Ihr Kopf schlug leicht gegen das Holz.
    »Ich weiß schon, daß du kräftiger bist als ich«, sagte Carla und spürte sei ne n war m en Atem über ihr Gesicht st re ichen. »Er fü llt d i e s e kleine De m onstration sonst noch einen Zweck?«
    »Du wirst nicht zu diesen Fri e denshyänen gehen«, gab Philipp zurück, »und m i ch in der Öffentlichkeit lächerlich m achen.«
    Carlas Augenbrauen kletterten in die Höhe. »Di c h? Mir scheint, da gibt es ein Mißverständnis, Philipp. Das Universum dreht sich nicht um dich. Wenn du dich m itbetroffen fühlst, weil ich ein Gedicht vortrage, ist d as etwas and er es Pri v ileg des Zuscha u ers.«
    »Hör zu«, sagte Philipp. »Der einzige Grund, w a rum diese Weiber dich eingeladen haben, ist, weil du m eine

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