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Unter dem Zwillingsstern

Titel: Unter dem Zwillingsstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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belegt, über ein f abelha f tes Zeitge f ühl ver f üge und daher ideal für die Hauptrolle einer Ko m ödie sei?
    »Zweifellos. Aber bevor du m i ch auch noch über m eine Meinung zum Young-Plan fragst, würde i c h doch gerne etwas über die Ro m anze des Jahres hören.«
    »H m .« Robert zog den Sessel heran, den sie sich statt des von der Ver m ieterin zur Verfügung gestellten Sche m els angescha f f t hatte, und ließ sich hineinfallen. »Ich auch, Carla, ich auch.«
    Eleonore hatte ganz recht m it ihrer Meinung über Männer. »Bei m i r ist es keine Ro m anze, und ich möchte nicht darüber sprechen. Es wäre…«
    »O nein«, fiel Robert ihr ins W ort. »Entweder sind wir F r eunde, oder wir sind keine. Wenn wir keine sind, sondern etwas anderes, dann, gebe ich zu, wäre es unanstä n dig, m i r Details über P h ilipp zu liefern. Aber wenn wir Freunde si n d, nichts als Freunde, dann gilt, daß ich dir immer alles erzählt habe, und d a m it bist du jetzt als erste dran. Es ist deine Entscheidung.«
    Gespannt beobachtete er sie. I h r Gesicht u n ter der zerzau st en Pagenfrisur war von der W intersonne m it einem starken Sonnenbrand versehen w orden; da sie nun einmal lange brauchte, um braun zu werden, wirkte es rosa und sehr zar t , als hätte sich die oberste Hautschicht gelöst. Nur die Nase war voller Som m e r sprossen. Die Augen hinter den Brillengläsern, die ihn immer an bemooste Steine unter Quellwasser erin n erten, schlossen sich kurz. W i e hinterhältig, dachte Carla, doch sie m ußte zugeben, daß er recht hatte.
    »Also schön«, sagte sie, setzte s i ch im Schneidersitz ihm gegenüber auf den Boden, was gut für d i e Haltung sein sollte, und begann.
     
    Käthe lehnte es nach w ie vor ab, Geld in ihre äußere E r scheinung zu investieren, also wirkte sie u n ter den vielen, aus allen m öglichen Städten angereisten Frauen alt m od i sch und provinziell gekleidet, und sie st e llte f est, daß sich m ittlerweile f ast jede s c h m inkte. Nicht, daß sie dagegen Einwände erhoben hätte, obwohl es vor dem Krieg tagsüber undenkbar, außer für die Prosti t uierten, ge w esen wäre. Aber das gehörte zu den Vorurteilen der alt e n Bourgeoisie, die m an aufgeben mußte. Nein, es fiel ihr nur auf, und einen Mo m ent lang fragte sie sich, wie sie selbst entsprechend zurecht g e m acht aussähe. Gleich darauf schä m t e sie sich die s er überflüssigen Eitelkeit.
    Sie saß unter ihren Freundinnen, obwohl sie sich einige im Laufe der Jahre dadurch entfre m det hatte, daß sie der kommunistischen Partei beigetreten und nicht m ehr eine reine Pazi f istin war. Sie glaubte im m er noch, daß der Pazifis m us ein nobles Zi el und die letztendliche Rettung für die W elt war, a b er die Kräfte der Reaktion waren so stark, daß m an für den Fall der Fälle gewappnet und bereit sein m ußte, nötigen fa lls auch Bl u t zu v ergie ß en. All e rdi n gs ka m en ihr in der let z ten Zeit auch im m er m ehr Zweif e l an der Partei. Als Carla sie auf dem Weg hierher gefragt hatte, wie sie zu den Moskauer H i nrichtungen im letzten Jahr und der Aus m e r zung Trotzkis aus der russischen Geschichtsschreibung stehe, hatte sie keine Antwort gewußt. Ihr war auch bekannt, daß Lenin in seinen letzten Tagen vor dem Genossen Stalin g ewa r nt hatte. Es wäre alles leichter, wenn die deutsche Parte i führung sich nicht darauf versteifen würde, der sowjetischen Partei unbedingt vertrauen und folgen zu m üssen. All m ählich w urde ihr zuwenig W e rt auf selbständiges Denken gelegt, und darum vor allem hatte sie ihr ganzes Leben lang gekä m p ft. Al s o saß sie heute fast wieder m it leichterem Herzen unter den Pazifistinnen als in der vergangenen Woche in der Sektions s itzung der KPD. Etwas melancholisch reflektierte sie, daß sie m öglicherweise zu keiner der Gruppen wirklich ge h örte.
    Daß Constanze Hallgarten Carla eingeladen und daß Carla zugesagt hatte, freute sie sehr. Sicher, Carlas Rezitati o n war nur einer von m ehreren Beiträgen zur Gestaltung der Tagung, in deren Mittelpunkt die Rede der französischen Delegierten stehen würde. Aber es war eine Gele ge nheit, s tolz auf Carla zu sein, etwas, das sie b ei d e m iteinander verband. Ein Glück, daß Carla nichts von den reaktionären Ideen i h rer F a m ilie übernom m en h a tte. Nun, jetzt war nur noch der Schwager übrig, und C arla stand nicht in Verbindung m it ih m , w a s nur gut w ar , denn wie es hieß, g e hörte P h ili p p

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