Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Unter dem Zwillingsstern

Titel: Unter dem Zwillingsstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
Vom Netzwerk:
eine Fa m ilie, ein e n Beru f , ein eigenes Einkom m en, das nicht von m i r bezahlt wird. Eigene Bekannte. In England hätte sie nie m anden als m i ch, und diese Art von Verantwortun g … will ich n i cht.«
    Nancy war bereits in ihr eigenes Zimmer gegangen, und selbst wenn sie hier gewesen wäre, hätte sie k e i n W or t i n d er i h r f re m den Sprache verstehen können. Dennoch kam Carla das, was sie sagte, wie ein un v erzeihlicher Verrat vor. Doch es war Robert, m it dem sie redete, und sie hatten sich nie gegenseitig etwas vorge m acht. Deswegen nickte sie, als er j e tzt langsam f eststellt e : »D u erstick s t. Du bi s t jetzt schon dabei zu ersticken.«
    »Ja.« Sie ließ seine Hände los und starrte in die Flam m en.
    »Du kannst Monika nicht verlass e n, die du nicht liebst und die dich auch nicht m ehr liebt. Aus Ver a ntwortungsgefühl. Glaubst du, ich könnte Nancy verlassen, die ich li e be und die m i r vertraut, die an m ich glaubt ? «
    W i r haben es ein m al getan, dachte er, Menschen verlassen, all e in gelassen, im vollen Bewußtsein der tödlichen Konsequenzen. Er wußte, daß sie ebenfalls daran d achte. Ein m al und nie wieder oder ein m al, und beim zweiten Mal wird es leichter? E i n zweiter fataler Pakt? Nein, entschied Robert. Das konnte er ihr nic h t antun, und sich selbst auch nicht. Gleichzeitig p ackte ihn Zorn auf Nancy, auf ihre Existenz in Carlas Leben, und ein Einfall kam i h m , der ihm den Atem nah m . Er schob ihn zur Seite. W e nn er der Idee, die plötzlich in ihm aufgetaucht war, folgte, würde sie ihm das vielleic h t nie verz e ihen, und es war ohnehin nicht gesagt, daß auch nur einer der drei Menschen, auf die es an k a m , so reagierte, wie es ihm vorschwebte.
    »Nein«, entgegnete Robert bit t er, »nein, das kannst du nicht.« Doch sein Einfall, zäh wie alles lebensvergiftende Unkraut, schlug Wurzeln und trieb an den guten Vorsätzen v o rbei sei n e Keime.
     
    Für Käthe waren der Mai und der Juni 1937 zwei der schli mm sten Monate ihres Lebens, die in ihrer E rfahrung gleich nach der Flucht 1933 und dem Hungern 1934 rangierten. In gewisser W eise f ühlte sie sich jetzt schlechter, denn von Ka p italisten ausgenutzt oder von den Nazis vertrieben zu werden ließ sich nicht m it dem Verlust von Vertrauen in eine Sache vergleichen. Selbst ihre Wandlung von einer unbedingten Pazifistin zur Kommuni s tin war nicht vergleichbar; da m als hatte s i e weder die Pazifi s t en noch den P azifis m us abgelehnt, nur für unzureichend angesichts der drohenden Gefahren befunden.
    Die Entwicklung, die si e so v er s t ö rte, hing m it W illi Münzenberg zusam m en, dem ehe m a l igen Reich s tagsabgeordneten der K PD und Verleg e r, d e n sie e in m al int e rviewt hatte. S e in Exilve r lag, Editions du Carrefour, brachte einige der ersten und wichtigsten Schriften gegen die Nationalsozialisten h e raus, das »Braunbuch« über den Reichstagsbrand, das »Weißbuch« über die sogenannte Nacht der langen Messer im Jahr 1934. Ihm gehörte auch der Hauptanteil der Gazette, für die sie schrieb; von allen e m igrierten Partei m itglied e rn war er sic h er derjenige, den sie am m eisten res p ektierte und den sie für eine der Hauptstützen im publizistischen Ka m p f gegen den Faschis m us hielt. Und nun wandte sich der Genosse Münzenberg, Mitbegründer des deutschen W elthilfsko m itees für die Opfer des deutschen Faschis m us, Mitbegründer der Volksfront, gegen die Partei.
    Der Grund dafür war ein Gewissensz w iespalt, der auch sie quälte. Sie war nie so orthodox wie Mün z enberg früher gewesen, doch sie hatte vers uc ht, ih r e g e l e gentlichen Z wei f el in d e r E m igration beis e ite zu schieben. Das westli c he, kapit a li s tisc h e Ausl a nd tat nic h ts gegen den Faschismus, noch nicht ein m al bei einem so flagranten Rechtsbruch wie der Hilfe für Franco in S panien, den m an nicht, wie den alltäglichen Terror in Deutschla n d, als »innere Angelegenheiten« abtun konnte. Das einzige Bollwerk gegen den Faschis m us war eindeutig Rußland, und selbst wenn s i e die harte Linie Stalins früher abgeleh n t h atte, so sa gt e sie sich j e tzt, d aß m a n in der Not zusa mm enstehen mußte und nicht die ein z ige Regierung, die sich nie m it den Faschisten einlas s en würde, schwächen durfte. Sie sagte sich das und versuchte, die Gerüchte über G enossen, die nach Rußland geflüchtet waren, zu überhören; daß m an sie bespitz e lt, in ei nzelnen

Weitere Kostenlose Bücher