Unter dem Zwillingsstern
Fällen so ga r zurück nach Deutschland geschickt habe. Das m ußte boshafte faschistische P r opaganda sein, um die Sache zu schwächen.
Doch in diesem Jahr begannen in Moskau die Prozesse gegen Männer, die zum Teil die Revoluti o n m it er m öglicht hatten, Genossen, deren Treue z u r S ache v o rher nie in Zweifel gezo g en worden war, Schauprozesse m it D e m ütigungsritualen, die sie anwiderten, als sie davon las. Zuerst klammerte sie sich an die Hoffnung, daß die westliche Berichterstattung voreingenommen war und gewiß alles verzerrt weitergab. Aber auch diese Hoffnung zerfiel, als sie einem blassen und zutie f st er s chütt e rten W illi Münzenberg beg e gnete, ursprünglich wieder wegen eines Interviews. Nicht nur bestätigte er jedes W ort der sc h limmsten Be r i cht e , er erklärte auch, die KPD dürfe sich nicht länger nach Moskau richten, nicht solange dort Stalin herrsche, der am Ende a us dem gle i chen Holz g e schnitzt s e i wie Hitler.
Nun hatte man Münzenberg aus dem Zentralkomitee geworfen, es wurde über seinen Parteiausschluß debattiert, und Käthe wußte nicht länger, an was sie noch glauben ko n nte. Ausgeschlossen, daß ein so überzeu g ter Kommunist wie W illi M ünzenberg s ich von kapitali s tischer Berichterstattung oder gar fas c histischer Propaganda irreführen ließ. W as er sagte, ließ sich einfach nicht abtun, und ihn m it Ausschluß zu bedrohen erinnerte sie m it einem mal an die Inquisition. Wo war der Kommunis m us angelangt, wenn er auf W i derspruch nicht anders reagieren konnte, a l s die W i dersprechenden mit einer Art päpstlichem Banns t r ahl zu tr e ffen? Und dann der Vergleich, der furchtbare Vergleich. Wenn Münzenberg recht hatte, gab es keine Hoffnung mehr.
Den einzi ge n Licht b lick stellte das W i ederse h en m it Carla dar. Wenn es nicht jedes m al eine neue Kennkarte notwendig ge m acht hätte, wäre Käthe nach Calais gekommen, dann hätte Carla sie öfter besuchen können. So, wie die Dinge lagen, brauchte Carla jedes m al fast einen T ag, um von Wales aus nach Dover, von Dover über den Kanal und von Calais aus nach Par i s zu kommen, daher fand der erste Besuch erst vier W ochen nach D r ehbeginn statt, als Carla sich drei Tage freineh m en konnte. Sie scherzte, es sei ein Glück, daß Käthe nicht m ehr bei den Feuchtwangers in Sanary lebe, im Süd e n Frankreichs.
Carla hatte sich verän de rt, zum Positiven. Verglichen m it dem unglücklichen, gequälten Mädchen, m it d e m sie Silvester 1933 verbracht h atte, wirkte ihre ehe m alige Schüle r in j e tzt n icht nur gesünder, sondern auch ruhiger, ausgeglichener. Ihre Freundin, Miss Naka m ura, hatte offenbar einen guten Einfluß auf sie. Eine vernünftige junge Person m it einem wachen V e rstand. Es stand nur zu hoffen, daß sie nicht heiraten und ihren Beruf aufgeben würde, eine Versuchung, der im Exil lei d er viele intelli g ente ju n ge Frauen verfielen. Als Käthe etwas in der Richtung ä u ßerte, wurde ihr von Miss Nak a mura, die etwas gekränkt wirkte, versichert, davon könne bei ihr keine Rede sein. Carla fügte m it dem Gesic h tsausdruck, den sie aufsetzte, wenn sie je m anden necken wollte, hinzu: »Schlie ß lich be fi ndet sie sich nicht im Exil. Sie ist A m eri k anerin, Kathi, keine Japanerin.«
Den einzigen Schatten auf die Aus f lüge, die Carla in den Monaten ihres Aufenthalts in England n a ch Paris u nternah m , warf der Entschluß von Dr. Gold m ann. Er hatte Käthe geschrieben, und obwohl das schon W ochen zurücklag, als sie m it Carla darüber sprach, brannte die E m pörung immer noch in ihr.
»Das ist alles die Schuld dieses m a ßlos egoistischen Jungen!« sagte sie wütend. »Ohne ihn wäre Martin schon lange hier.«
Worauf Ca r l a entgegnete, das könne m an auch u m gekehrt sehen, und ohne Dr. Gold m ann wäre Robert m u t m aßlich schon in Am erika. In diesem Punkt war sie genauso blind wie Martin. Sie versuchte, Robert m it Erklärungen von Teufe l skreisen und Verantwortung zu verteidigen, aber Käthe winkte verächtlich ab.
»Verantwortung für andere? W enn er die Verantwortung für sein eigenes Leben übernäh m e, für seine Fa m ilie, seine Toc h ter, h ä tte Martin nicht das Gefühl, er m üsse es tun.«
»Robert hat ja alles versucht, um ihn davon abzubringen. Er kann ihn schließlich schlecht betäuben und gewaltsam über die Grenze bringen.«
»Nein«, entgegnete Käthe scharf, »aber er könnte etwas anderes tun, und es
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