Unter dem Zwillingsstern
leid«, sagte sie auf englisch, m it einem rollenden R und im m er noch dem gleichen, vage vertrauten Akzent. »Ich bin nur so aufgeregt. Miss Fehr, Carla, es ist wie ein Wunder für m ich. Hat… hat Angharad je von m i r gesprochen?«
» W enn, dann ist es m ehr als fünfundzwanzig Jahre her, und Carla kann sich nicht m ehr da r an erinnern«, warf Robert ein; er wußte, daß es br u tal klang, aber er wollte C a rla die Chance geben, s ich wieder zu fangen, bevor sie ihrerseits sprach.
»Fünfundzwanzig Jahre? So lange ist sie schon… Das habe ich nicht gewußt. Ich habe überhaupt nic h t gewußt, d aß sie t o t ist, bis in der Zeitung stand, daß du W aise bist.« Sie schluckte. »Angharad und ich, wir sind nicht im guten aus e inandergegangen, und dann kam der Krieg…« Sie m achte eine nervöse kleine Handbewegung. »Danach habe ich ihr ein paar m a l geschrieben, aber als sie nicht geantwortet hat, dachte ich, sie wolle nichts m ehr von uns wissen.«
Mit ungeschickten, hastigen Bewegungen zog sie eine abgegriffene Photographie hervor und reichte sie Carla. Auf d e m Bild waren in bräunlichen Sepiatönen zwei junge Mädchen m it fest geflochtenen Zöpfen, Schulkleidung und einem leicht gequälten Lächeln zu sehen, die zur Linken und zur Rechten eines bärtigen Mannes standen. Auf der Rückseite des Photos stand in verblaßter Tinte: »Da, Angharad und Gwynneth, Cardiff 1886«. Das eine Mädchen sah Mrs. ap Hughs Tochter ähnlich; das andere erinn e rte Robert, der es über Carlas Schulter betrachtete, ein wenig an C a rla in d e m Internat, als e r si e nach dem Tod ihres Vaters dort entführt hatte. Aber alle jungen Mädchen in Unifo r m glichen sich bis zu einem g e wissen Grad. Trotzde m , worauf es a nka m , war, daß Carla glaubte, die Frau sage die W ahrheit, und das tat sie. Er spü r te, wie ein leichtes Zittern durch ihre Gestalt lie f .
»Sie m üssen verstehen, daß eine solche Geschichte…«, begann Nancy, doch Carla legte ihr die Hand auf den Arm.
»Mrs. ap Hugh«, sagte sie und klang wieder ruhig und gefaßt,
»kom m en Sie. Es tut mir leid, daß ich nichts von Ihnen weiß, aber Sie sind m eine Tante, u nd ich wür d e m i ch freuen, Sie ken n enzulernen.«
Der Rest des Abends bildete im Vergleich dazu eine Antikli m ax. Carla lud Gwynneth ap Hugh und i h re Kinder zum Abendessen ein, hörte sich die Geschichten über A ngharads Kindheit an, erzählte das wenige, das sie von Angharads Opernkarriere wußte, und erwähnte nur einen Unfalltod, nicht m ehr. Zum Glück waren die ap Hughs, nachdem sie ein m al wagten, Fragen zu stellen, mehr an Carlas Leben in Hollywo o d denn an ihrer Kind he it int e res s ie r t . Es war eigenartig; der Mo m ent der E rschütterung war vo r bei, und was geschah, berührte s i e n i cht länger. Sie spielte ei ne inzwischen wohlvertraute Rolle, den genei g ten Star in m itten sein e s a u f geregten Publiku m s. Für sich stellte sie fest, daß ihr Gwynneth und der Sohn, Daffydd, sy m pathischer waren als die Tochter Gladys, aber das lag vielleicht nur daran, daß Gladys als erste d i e hohen Steuern und die schwierige Lage der Fa m ilie na c h dem Un f a ll ihr e s Vaters letzt e s Jahr im Bergwerk erwähnte. In s gesa m t waren es gut m ü tige Le u te m it der durchaus verständlichen Hoffnung, die plötzlich aufgetauchte Cousine, die in A m erika lebte, könnte ihnen etwas unter die Ar m e greifen. Die Einladungen, zu Besuch zu kom m en, s olange sie wollte, waren zweifellos ernst ge m eint. Carla versprach den Besuch und verwies an Nancy, was die finanzielle Hilfe anging. Nancy kannte sich m it ih r e m Ver m ögen und de m , w a s sie sich leisten konnte, besser aus als sie selbst, und sie konnte zu hohe For d erungen ablehnen, ohne geizig zu wirken.
Lange nachdem sich die W aliser unter T r änen und U m a r mungen verabschiedet hatten, saß Carla m it Robert vor dem K a m i nfeuer, das für sie geschürt worden war, und versuchte, Klarheit über das Geschehene zu gewinnen.
»Früher«, sagte sie, »dachte ich, ich wünschte m i r normale Verwandte, wie jeder andere sie hatte, solche, die m i ch nicht als Schandfleck ansehen. Und jedes m al, w e nn je m and von m einer Mutter sprach, war es… nun, du weißt es ja. Das m acht es alles so seltsa m . Als Gwynn e th anfing, mit m i r zu reden, wußte ich, daß sie nicht log. Und in dem Mo m ent, wo ich wirklich sicher war, vor m einer Tante zu stehen, d er Schwester m einer Mutter, hörte es auf,
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