Unter dem Zwillingsstern
überrascht m i ch, daß e s ihm noch nicht eingefallen ist, wenn er wirklich so verantwortu n gsbewußt in bezug auf Martin denkt. W enn Martin nä m lich nicht m ehr glaubte, daß Robert und seine Tochter ihn brauchen, wenn er im Gegenteil überzeugt wäre, daß er sie gefährdet und sie ihn deswegen hassen, dann würde er gehen. Dein Freund Robert bezeichnet sich schließlich als Schauspieler. W illst d u etwa beh a upten, daß e r eine Lüge, die M a rtin vielleic h t das Leben retten würde, nicht fertigbringt?«
Carla sch w ieg. Es stim m t e; hier w ar ei n e M ö glichk e it, u m Dr. Gold m ann m it Sicherheit aus Deutschland zu vertreiben, vorausgesetzt natürlich, er bekam noch ein zweites Visu m . Aber Haß und Abscheu gegenüber Dr. Gold m ann zu z e igen kä m e für Robert einer W i ederholung der Zurückweisung s e ines Vaters gleich, einer schlim m eren W i ederholung. Sie konn t e sich nur zu gut vorstellen, wie verletzt und vernichtet Martin Gold m ann sein würde. D a s würde Robert innerlich zerreißen.
Käthes W orte setzten s ich in ihr fest, aber sie brachte es noch nicht über sich, Robert davon zu schreiben und ihn auf diesen Ausweg aus seinem Dilemma hinzuweisen. Viell e icht fand sich noch eine andere Möglich k eit. Viell e icht.
Nun war Dr. Gold m ann nicht der einzige Freund, dem sie dringend ein a m erikanisches Visum wünscht e . Käthe war ganz ihrer Meinung, was die Möglichkeit eines Krieges a nging. Aber sie sperrte sich gegen Carlas Vorschlag, sich um die Einreise nach A m erika zu be m ühen.
»Hier habe ich m eine Arbeit«, sagte sie. »Ich verdiene vielleicht nicht sehr viel m it m einen Artik e ln, a b er es gi b t Leute, d ie si e le s en. Es gibt sogar Menschen, die unsere Zeitungen und P a m phlete nach Deutschland sch m uggeln. Verstehst du, Carla, hier kann ich etwas bewirken.«
»In A m erika gibt es auch deutschsprachige Zeitungen und Leute, die sie le s e n . Es gibt so g ar ei n en soziali s ti s chen V orwärts.«
»Gewiß, doch dort kenne ich nie m a nden, und nie m and kennt m ich.
Ich m üßte ganz von vorn anfangen, und ich beherrsche die Landessprache nicht besonders gut. Das m erke ich, we n n ich m it M iss Naka m ura spreche. Ich le s e Englisch recht g u t, a b er s i e m uß sich se h r langsam ausdrücken, da m it ich sie verstehe, und sie betont die W orte anders, als ich es in m einer Jugend gelernt habe.«
»Aber Kathi, ich würde dir helfen. Du wärst nicht allein in einem fr e m den Land, wie du es hier bist, und du wärst nie ar m .«
»Meine liebe Carla«, erklärte Käthe würdevoll, »ich würde m ich niemals von dir aushalten lassen. Mein ganzes Leben lang habe ich darum gek ä mpft, auf e i genen Füßen zu stehen.« Mit niedergeschlagener Miene fügte sie hinzu: »Es war schlimm genug, einen von Martins Dia m anten versetzen zu m üssen, um trotz m einer illegalen Einreise die Kennkarte zu erhal t en. Bestechung ist ein Grundübel des Kapitalis m us. Aber m an hätte m ich sonst ausg e wiesen; d e r Polizi s t, m it d e m ich es zu tun hatte, ließ daran keinen Zweifel. Später, als ich bei den Feuchtwangers wohnte, konn t e ich wieder etwas Geld zurücklegen. Ich werde es ihm eines Tages auf Heller und Pfennig zurückzahlen, das schwöre ich.« Ihr G es i cht hellte sich auf. »Wenn du etwas für m i ch tun willst, Carla, dann bringe die drei übrigen Dia m anten in einem Schlie ßf ach in der Schweiz unter, auf Martins Na m en. Dann si nd sie ihm sicher, ganz gleich, in w elches Land er geht, wenn er wieder zu Verstand kom m t und endlich Deutschland verläßt. Es war sehr großzügig von ih m , sie m i r anzuvertrauen, aber es entspricht auch ganz seiner unglück s seligen Neigung, sich zum Märtyrer zu m achen, und irgend jemand muß ihn davor bewahren.«
»Kathi«, sagte Carla ahnungsvoll, » könnte es sein, daß du Europa deswegen nicht ve r l as se n willst, w e il Dr. Goldmann noch hi e r ist?«
Käthe errötete. »Nun, sollte er n a ch Frankreich kom m en, dann braucht er Hilfe, und wenn es ihn in ein anderes Land verschlägt, wird er den Weg hierher finden. D e r Mann ist ein so hoffnungsloser Idealist, daß m an ihn eine bittere E rfahrung wie die E m igration nicht alleine be w ältigen lassen kann. Doch m ein Entschluß entspringt in erster Linie den genann t en sachlichen Gründen.«
»Natürlich. All m ächtiger, Kathi, könnte einer von euch nicht endlich da m it anfangen, egoistisch zu sein? W as ist, wenn es
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