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Unter Den Augen Tzulans

Unter Den Augen Tzulans

Titel: Unter Den Augen Tzulans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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in der Kunst des Schnitzens, verschiedene Handschriften beherrschte die Heranwachsende fließend.
    Aus dem schüchternen Kind war ein selbstbewusstes Mädchen geworden, das sich seiner Haut sehr wohl zu wehren wusste. Der Duellist hatte sich alle Mühe gegeben, ihr die vitalen Punkte am und im Körper eines Menschen einzubläuen. Aber es wurde immer schwerer, sie zum Üben zu begeistern. Als Kind hatte sie es als Spiel gesehen, als »kleine Dame« hinterfragte sie ihr Tun sehr genau und sah wenig Sinn darin, etwas zu beherrschen, was sie in der Verlorenen Hoffnung niemals benöti­gen würde.
    »Weißt du, dass ich wahrscheinlich die einzige Tochter auf Ulldart bin, die mehrere Väter hat?«, sagte sie plötzlich.
    »Wer kann das schon von sich behaupten?«, meinte Stoiko grinsend und kam zur Tür, um sie besser sehen zu können. »Zumal bestreitet hier drinnen niemand die Vaterschaft, was nicht gerade häufig ist.«
    »Nun, ich werte die Nichtbeteiligung des Schweigers schon als Verweigerung der Vaterpflichten«, rief der Duellist. »Ein echter Rabenvater.«
    »Soscha, Herzblatt, liebste Tochter mein«, säuselte der Ehebrecher aus seiner Zelle. »Wärst du so nett und würdest mir eine Karaffe Wein holen? Ich brauche ein bisschen von diesem Saft, um wenigstens meine Gedanken in höhere Sphären fliegen zu lassen, wenn schon mein Fleisch in diesen muffigen Mauern gefangen ist.«
    »Nun höre sich einer den an«, kommentierte der Falschmünzer gespielt mürrisch. »Wer wie Ihr dermaßen enthemmt dem Alkohol zuspricht, wird mit einer roten Nase ins Grab gelegt. Einer Säufernase, ein Riechkolben, so dick und blau geädert, dass man ihn für einen Pilz halten wird.«
    »Ich glaube, es ist mir recht gleichgültig, in welchem Zustand ich den Würmern anvertraut werde«, meinte der Ehebrecher ruhig.
    »Habt Mitleid und denkt an die armen Tiere«, bat der Duellist. »Sie werden sich die Schwindsucht anfressen. Selbst Eure Knochen werden ungenießbar für die Viecher sein.«
    »Ich werde Euch etwas über Eure Knochen sagen. Nummeriert sie schon einmal durch, falls Ihr mir eines Tages doch gegenüberstehen solltet«, drohte der Ehebrecher ungehalten. »Ich werde Euch verbiegen, dass Ihr nicht mehr wisst, wo oben und unten ist. Und ich …«
    Die Eingangstür wurde geöffnet, drei Wachsoldaten traten zusammen mit einer Frau ein, der mit einem Tuch die Augen verbunden worden waren. Die Aufmerksamkeit des »Nobeltraktes« richtete sich auf die Neuankömmlinge.
    »Holla! Mir deucht, dies Weib sucht seinen Gatten!«, rief der Falschmünzer aus seiner Zelle. »Ich weiß schon einen, der gerade in seinem Loch immer kleiner wird.« Die inhaftierten Adligen lachten, jeder sah den schreckensbleichen Ehebrecher vor sich, der unter sein Bett kroch.
    »Ruhe«, donnerte einer der Wächter. Mit einer energischen Geste bedeutete er Soscha, vom Eingang zu verschwinden, und schob sich wichtigtuerisch vor Stoikos Zelle. Umständlich öffnete er die zahlreichen Schlösser, entfernte Riegel und Ketten, bis er die Tür öffnete.
    »Ihr habt Besuch, Sträfling Gijuschka.« Mit derselben Geste wie bei dem Mädchen forderte er den Mann auf, herauszutreten und sich an die Bank in der Mitte des Raumes zu setzen. »Deine Schwester will dich sehen.«
    Etwas zögerlich verließ Stoiko die Behausung, in der er seit Jahren lebte, und machte ein paar Schritte auf die geschminkte Gestalt zu, die sich das Tuch vom Gesicht riss und sich ihm mit ausgebreiteten Armen entgegenwarf. Wie Schuppen fiel es ihm von den Augen, wer ihn sehen wollte.
    »Hulalia«, jauchzte er, die Tränen der Freude und Erleichterung waren nicht gespielt.
    »Mein schlimmer, schlimmer Bruder«, fistelte die Frau und drückte ihn an sich. »Komm an meine Brust, du böser Finger!« Sie brachte die Lippen ganz nah an sein Ohr. »Haltet Euch bereit. Wir sind hier, um Euch herauszuholen«, wisperte Fiorell mit seiner echten Stimme. Ungerührt standen die Wachen umher und beobachteten die familiäre Szene.
    »Das Mädchen muss mit«, raunte Stoiko zurück und löste sich aus der Umarmung.
    »Würden die Herren vielleicht so freundlich sein und verschwinden?«, keifte Hulalia die Soldaten an. »Ich würde mich darüber freuen, etwas mehr Privatsphäre zu haben.«
    Soscha stand verdutzt im Raum. Ihr Mentor hatte ihr niemals etwas von einer Schwester erzählt. Aber ihre Geistesgegenwart verhinderte, dass sie eine leichtfertige Frage äußerte.
    Stattdessen klappte sie die Sichtluken der Reihe nach

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