Unter Den Augen Tzulans
alles gut. Zielsicher näherten sie sich dem Ausgang. Den Wachen, denen sie begegneten, wichen sie rechtzeitig aus oder bewegten sich so selbstverständlich, dass niemand auf die Idee kam, die Verlegung eines ganzen Rudels Sträflinge seltsam zu finden.
Die Gestalt sog prüfend die Luft ein, durch die Fäulnisgase nahm er einen anderen Geruch wahr, auf den er gehofft hatte.
Pferdemist, lautete das Urteil, und ein Lächeln glitt über das Gesicht. Vorsichtig pirschte sie sich unter das Gitter, schob einen schmalen Spiegel hindurch und warf mit Hilfe der polierten Metallscheibe einen Blick in die darüber gelegenen Stallungen.
Ein paar Pferdeknechte waren bei der Arbeit, blieben aber zu weit entfernt, als dass sie im schummrigen Licht sehen könnten, wie der Mann sein Versteck verließ.
Zügig entfernte er die Sperre, zog sich hinauf und kletterte aus dem schmalen Loch, um es sofort wieder mit dem Gitter zu verschließen. Die Knechte hielten einen Schwatz und dachten gar nicht daran, in seine Richtung zu blicken.
Der Eindringling huschte in den Schutz eines großen Strohhaufens, wo er sich seiner stinkenden Kleider bis auf die Unterwäsche entledigte. Dabei kamen die zahlreichen Wurfmesser, die an den Unterarmen, im Nacken und an den Beinen mit speziellen Lederhalftern befestigt waren, zum Vorschein. Es war Hetrál, der sich seinen unterirdischen Weg ins Innere des schwerbewachten Gebäudes gesucht hatte.
Kurz tauchte er in einem Pferdetrog unter, der Geruch des Unrats sollte ihn nicht verraten. Dann schraubte er den mitgebrachten Behälter auf, nahm vorsichtig ein kleines Fässchen heraus, an dessen Boden eine zusammengerollte Lunte baumelte. Sorgsam deponierte er die Sprengladung, obenauf stellte er ein Glas mit durchsichtiger Flüssigkeit. Ein paar Hand voll Stroh verdeckten die Konstruktion, nur die Lunte ragte wie ein schwarzer Strohhalm hervor. Seine stinkenden Sachen warf er durch das Gitter zurück in die Kanalisation. Lautlos gelangte er in die Sattelkammer, wo er die einfache Wechselkleidung, einen breitkrempigen Hut und den Wachsmantel eines Stallburschen fand, und legte sie an.
Durch die Schatten, unter gepanzerten Kutschen und anderen Gefährten hindurch schlich Hetrál sich an die beiden plaudernden Knechte an, bis er aus der Dunkelheit heraustrat und die überraschten Männer mit harten Schlägen ins Gesicht zu Boden schickte.
Schnell zog er sie in ein freies Stallabteil und deckte auch sie mit Stroh zu. Dort, wo er sie abgelegt hatte, müssten sie die Explosion überstehen. Als letzte Utensilien nahm er ein Kurzschwert, einen geschwungenen, mannsgroßen Bogen und einen Köcher mit einem Dutzend Pfeilen aus dem Behältnis. Unter großer Kraftanstrengung hing er die Sehne ein und postierte die Fernwaffe neben dem Stalltor, das Kurzschwert verschwand unter dem langen Mantel. Dann nahm er den Besen zur Hand und begann, unmittelbar am Eingang zu fegen. Von hier aus hatte er einen hervorragenden Überblick über den Innenhof des Gefängnisses.
Seit seinem Aufbruch hatte Hetrál lautlos gebetet, unentwegt repetierte er in Gedanken das Ehrenlied Ulldrael des Gerechten. Nicht allein wegen des Beistandes, sondern auch, um den vereinbarten Zeitpunkt für die Ablenkung nicht zu verpassen, für die er verantwortlich war.
Und soeben beendete er die zweiundneunzigste Wiederholung, als das Tor der Verlorenen Hoffnung geöffnet wurde und eine zwanzigköpfige Patrouille unter der persönlichen Standarte des Kabcar in das Atrium preschte.
Der Turît zwang sich, den Besen weiterhin so unbekümmert zu schwingen wie bisher und schielte unter der Krempe in Richtung der Reiter, die auf ein Kommando hin absaßen. Ihr Anführer verschwand in die Amtsstube der Wachen.
Nun wurde es Zeit, für die Ablenkung zu sorgen.
Da wandte sich einer der Soldaten zu ihm und winkte ihn zu sich.
Wenn er jetzt losrannte, war alles verraten. Er zwang sich zur Ruhe, schulterte den Besen und ging auf den Gerüsteten zu, der ihn mit missmutigem Gesicht erwartete.
»Das geht doch auch ein bisschen schneller«, schnauzte er den vermeintlichen Stallburschen an und drückte ihm die Zügel in die Hand. »Da. Bring die Pferde rüber in den Stall und tränke sie.«
Gehorsam passierte der Meisterschütze die Reihe der Reittiere und fasste die Lederriemen der Tiere. Doch mehr als zehn packte er nicht, die vom wilden Ritt aufgeregten Pferde tänzelten unruhig hin und her und wollten partout nicht mit dem für sie völlig Fremden gehen. Das
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