Unter Den Augen Tzulans
Nachtkappen!«
Das wirkte. Sofort griffen sie nach den Speichen der großen Winden und betätigten die Vorrichtung. Stückchen für Stückchen hoben sich die Eisenzacken an. Die Häftlinge standen inzwischen wieder alle.
Ein einzelner Mann taumelte aus dem Schatten des Torbogens und brach vor den Füßen Stoikos zusammen. Der Vertraute des Kabcar erkannte den Turîten, in dessen Rücken ein langer Splitter steckte. Sofort kümmerte er sich um ihn.
Das Fallgitter war nun so weit geöffnet, dass sich Fiorell drunter durchrollen konnte und das auch den Gefangenen befahl. Sie sollten die Winde für die Außentore betätigen. Nur noch Stoiko, Hetrál und der Schweiger befanden sich auf der anderen Seite.
In den feuerumspielten Ruinen der Pferdunterkünfte erhob sich unbemerkt von den Ausbrechern eine Gestalt. Sie durchschritt die Wand aus Flammen unbeschadet und bahnte sich mit wuchtigen Schlägen mit Axt und Morgenstern ihren Weg durch Schutt und Geröll. Suchend blickte sie sich um, dann hefteten sich die rot leuchtenden Augenhöhlen, die nicht länger von den Schutzklappen verdeckt waren, auf den Mann mit dem Schnauzer. Mit leicht gesenktem Kopf kam er in Richtung des Ausgangs gelaufen, wurde dabei immer schneller und hob den Arm mit der Axt zum Wurf.
Stoiko wollte dem Meisterschützen gerade einen notdürftigen Verband anlegen, als ihn etwas ins Kreuz traf.
Er prallte gegen das Gatter und stürzte auf den Rücken. Über ihm stand der Schweiger. »Was soll das?«, rief der Mann wütend.
Der Adlige lächelte. »Ulldrael wird mir meine Taten vergeben. Ich soll euch von ihm sagen, dass ihr nicht aufgeben dürft. Niemals.« Die Pupillen brachen und nahmen einen toten Ausdruck an, dann kippte er um. Aus seiner rechten Seite ragte die Axt Hemeròcs, die für Stoiko bestimmt gewesen war.
Fiorell rutschte unter den Eisenspitzen hindurch, packte das Handgelenk des verletzten Meisterschützen und zog ihn zusammen mit Stoiko auf die andere Seite. »Lasst das verdammte Gitter wieder runter!«, brüllte er voller Aufregung. Hemeròc musste jeden Moment bei ihnen sein. »Los, oder unsere Schädel platzen unter seinem Morgenstern wie reife Kürbisse.«
Die befreiten Adligen schubsten die Wachen zur Seite, der Duellist zertrümmerte die Rückschlagsperre der Winde, und das Stahlhindernis rammte sich in den Boden.
Wie ein unbändiges Tier warf sich Nesrecas Vertrauter tobend gegen die Stäbe, während sich die Gefangenen durch den Spalt zwischen den Eingangstoren in die Freiheit schoben. Hemeròc schickte ihnen einen Strahl seiner Magie hinterher, doch die Energien rissen lediglich die riesigen Flügeltüren auseinander und sandten den Flüchtenden Splitter hinterher.
Hemeròc wandte sich mit einem Grollen dem Toten zu seinen Füßen zu. Ohne sonderliche Anstrengung zog er seine Axt aus dem erkaltenden Körper, betrachtete die blutige Schneide und ließ damit seine maßlose Wut ungezügelt an der Leiche des Schweigers aus, der den sicheren Tod des einstigen Vertrauten verhindert hatte.
Soscha umklammerte Stoiko, die Augen fest geschlossen. »Er strahlte dunkelrot«, wimmerte sie immer wieder. »Wie damals Nesreca. Dunkelrot, fast Schwarz.« Ein Schaudern jagte über ihren Körper, und sie drückte sich enger an den väterlichen Freund.
Er beruhigte sie, indem er ihr über die Haare streichelte. »Es ist vorbei. Wir haben es geschafft.«
»Knapper hätte es wirklich nicht sein dürfen«, meinte Fiorell erschöpft, streckte alle Glieder von sich und machte sich in der Kutsche breit. »Ich freue mich, wieder der normale Hofnarr sein zu dürfen. Hulalia wird nie wieder auftreten. Das ist zu viel Aufregung für einen einfachen Spaßmacher wie mich. O ruhiges, beschauliches Ilfaris, ich komme!« Er schlug sich mit der flachen Hand an die Stirn, dass es klatschte. »Was rede ich da? Ich will freiwillig zurück zu dem Pralinenungeheuer?« Er neigte den Kopf in Richtung seiner Begleiter. »Schnell, seht nach, ob mich ein Trümmerstück am Schädel erwischt hat.«
Das Gefährt rumpelte durch das Südtor Ulsars hinaus, ohne auch nur einmal von einer Wache belästigt worden zu sein, was wohl am Wappen des Kabcar lag, das man auf den Lack aufgebracht hatte. Der dreiste Streich gelang. Notfalls hätte man vom doppelten Boden des Gefährts Gebrauch gemacht, um die befreiten Gefangenen hinauszuschmuggeln.
»Wohin habt Ihr die Adligen gebracht?«, wollte Stoiko wissen, der sein Glück immer noch nicht fassen konnte.
»Sie sind an einem
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