Unter Den Augen Tzulans
Rammböcken oder Breschhütten, nichts fruchtete. Sobald sie näher herankamen, flogen ihnen die Steinbrocken und die Speere um die Ohren, sodass die Angriffslust schnell genommen war. Die letzten Mutigen verbrühten in kochendem Wasser, das auf sie herabgeschüttet wurde. Wegen des Schnees und des Eises verfügten die Eingeschlossenen über einen unendlichen, sich ständig erneuernden Vorrat an Wasser und mussten mit dem ansonsten bei Belagerungen kostbarsten Gut nicht geizen.
Vor seinen Augen gingen gerade die beiden bisher aufwändigsten Versuche, Windtrutz in die Knie zu zwingen, in Rauch auf.
Mit übermenschlicher Anstrengung und unter zahlreichen Verlusten war es seinem Helfer Widock gelungen, Baumaterial in die Bergregion transportieren zu lassen, um zwei Wandeltürme zu errichten. Eine jede dieser Belagerungsmaschinen reckte sich sechzig Fuß in die Höhe, um über die Mauern der Festung zu kommen, jeweils zweihundert Bogenschützen saßen im Inneren und deckten den Feind mit Pfeilen ein.
Doch die Belagerten verfügten über eine beachtliche Technik, die offensichtlich kensustrianischen Ursprungs war. Ihre Speerschleudern sandten unablässig eine tödliche Wolke von Geschossen nach der anderen gegen die Wandeltürme, und zum krönenden Abschluss klatschten Fässer mit unlöschbarem Feuer gegen die Außenwände der Mittelsektionen. Auch die nassen Tierhäute, die zum Schutz angebracht worden waren, hielten der vernichtenden Hitze der flüssigen Substanz nicht lange stand, die Flammen breiteten sich jeweils mittig nach oben und unten aus. Die Bedienungsmannschaft im Inneren der Belagerungsmaschinen suchte das Weite, nachdem die ersten brennenden Balken auf sie herab fielen.
Eher verärgert als betroffen sah Varèsz, wie die Bogenschützen im oberen Teil der nun unbeweglichen Türme bei lebendigem Leib verbrannten, andere in Todesangst in die Tiefe sprangen, nur um einem qualvollen Sterben zu entgehen.
Stolz und ungebrochen, wenn auch nicht mehr gänzlich unbeschädigt, ragte das mächtige Bollwerk über dem Eispass in die Höhe, die zehn Türme trotzten dem eisigen Wind, der schneidend durch die dickste Kleidung fuhr und die Rüstungen gefrieren ließ. Aus diesem Grund trug keiner mehr Stahl am Körper, als notwendig war. Die Gefahr, dass die Körperglieder an dem Metall fest froren, war zu groß.
Das Triumphgeschrei der Staatenbündler drang zu ihm herüber, als die gegnerischen Holzkonstruktionen in sich zusammenbrachen. Der Stratege wandte sich ab und watete durch den kniehohen Schnee zu dem Heerlager zurück, das er entlang des Passes hatte einrichten lassen. Auf jedem noch so kleinen Vorsprung, jeder noch so kleinen Felsplattform erhob sich ein Zelt, jede noch so unscheinbare gerade Fläche nutzte er, um seine Männer unterzubringen.
Sein eigenes Zelt stand etwas abseits auf einem Gesteinsteller, unter dem sich nichts als Abgrund befand.
Nachdenklich warf er sich in seinen Stuhl, zog Pelze über sich und bedeutete einem Diener, Holzstücke in den Ofen nachzulegen, um die Eiseskälte aus seiner Behausung zu vertreiben. Danach schickte er den Mann hinaus. Er wollte sich dem Kartenstudium widmen, wie er das so oft in den letzten Monaten getan hatte. Mehr als neunzehntausend Mann warteten darauf, dass er sie zum Sieg führte, wie sie das von ihm gewohnt waren. Aber es wollte ihm nicht gelingen.
Dabei wäre der schnelle Fall der Festung unbedingt erforderlich. Die anderen Truppen waren dabei, in Tersion von Westen her einzumarschieren und errangen große Erfolge im Kampf gegen die angorjanischen und tersionischen Truppen. Vermutlich gegen Ende des Winters würde das kleine schwache Reich der Regentin ganz dem Kabcar gehören. Ohne Aufenthalt wollte man Ilfaris stürmen, damit man das verbliebene Kensustria wie eine Nuss umspannen und durch Druck von allen Seiten knacken konnte.
Der Zeitplan, der ihm von Nesreca vorgegeben worden war, sah eine Eroberung des gesamten Kontinents innerhalb des nächsten Jahres vor. Und das war nur möglich, wenn er seinen Auftrag an der Nordgrenze erfüllte.
Noch zeigte sich der Winter gnädig. Sollten die Temperaturen noch weiter absinken oder die Schneeflocken ununterbrochen aus den Wolken fallen, würden seine Truppen in den dünnen Zeltwänden einfach zu Eisklötzen erstarren. Auch deswegen musste endlich der Sieg her. Hier wurde alles zu Eis. Warf man Wasser in die Luft, fielen kleine Flöckchen und Graupel zu Boden. Ging beim Tränken der Pferde etwas daneben,
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