Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unter Den Augen Tzulans

Unter Den Augen Tzulans

Titel: Unter Den Augen Tzulans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
Vom Netzwerk:
will ihnen aber weder den Thron noch die Macht nehmen«, meinte Lorin aufgebracht. Sein Gesicht hellte sich auf. »Wir senden ihnen ein Brief, in dem wir ihnen das erklären. Und dann haben wir unsere Ruhe.«
    »Ich glaube nicht, dass Nesreca sich damit zufrieden geben würde«, riet Fatja ab. »Er ist ein mindestens ebenso gefährliches Wesen wie diese Frau und er würde alles daransetzen, um dich zu töten, wüsste er, dass du noch lebst. Und wer weiß, vielleicht bist du wirklich dazu ausersehen, diesem Nesreca eines Tages die Stirn zu bieten.« In Gedanken kehrte sie zu ihrer eigenen Prophezeiung zurück, die sie Norina und dem ungeborenen Knaben damals im Gasthaus gemacht hatte.
    Der Junge verzog den Mund. »Wie soll das denn angehen? Ich bin doch in einem ganz anderen Land.«
    »Alles wird so kommen, wie es soll«, meinte die Schicksalsleserin bestimmt.
    Lorin senkte den Kopf und blickte in das Wasser. »Und was ist mit meiner Mutter?«
    »Wir haben, nachdem wir den Strand erreichten, ihre Fußspuren im Sand gesehen und nehmen an, dass sie von Lijoki geraubt wurde«, erklärte ihm Matuc ehrlich. »Bis heute haben wir keine Spur von ihr gefunden. Es scheint, als sei sie irgendwohin in die Sklaverei verkauft worden. Sie kann überall sein. Du wirst sie wahrscheinlich nie kennen lernen.«
    »Wenn mein Vater so ein Unterdrücker ist, warum hat sie ihn dann geliebt?«
    »Dein Vater wäre ein guter Herrscher geworden.« Waljakovs mechanische Hand legte sich auf die Schulter des Jungen. »Aber ein guter Freund und ich konnten nicht verhindern, dass Nesreca ihn mit seinen Einflüsterungen verdorben hat. Lodrik könnte heute der beste Kabcar sein, den Tarpol jemals hatte, und stünde zusammen mit deiner Mutter an der Spitze eines neuen, blühenden Reiches. Und er wird wieder so, wenn wir Nesreca vernichtet haben.«
    »Und wie können wir das?«, fragte Lorin schneller als er wollte. Es gefiel ihm irgendwie nicht, dass sein Schicksal offenbar schon von den Umstehenden vorausgeplant worden war. »Und wenn ich nicht will?«
    Waljakov wollte den Mund zu einer Entgegnung öffnen, aber Fatja kam ihm zuvor, offenbar weil sie fürchtete, der kahle Hüne würde durch die Worte die Zweifel und Bedenken des Jungen verstärken.
    »Niemand wird dich zu irgendetwas zwingen, kleiner Bruder«, beruhigte sie ihn. »Du wirst entscheiden, was du mochtest. Aber nicht jetzt.«
    Das erleichterte den Knaben. »Ich werde lange darüber nachdenken. Aber ich verspüre im Moment keine Lust.« Er drehte den Becher zwischen den Handflächen hin und her. »Ich kenne Ulldart nicht, ich kenne Tarpol nicht. Meine Heimat ist Kalisstron, und doch auch wieder nicht. Und ich scheine nur Unglück zu bringen, wie dem armen Blafjoll.« Verzweifelt sank er zusammen. »Es ist alles so verzwickt.«
    Fatja umarmte ihn liebevoll. »Du hast es nicht einfach. Aber wir sind für dich da.«
    Dankbar drückte er seine Schwester, er genoss das Gefühl der Geborgenheit und der Liebe, die sie ihm gab.
    »Wir sollten das Wesentliche nicht vergessen«, sagte Waljakov. »Der Junge zieht heute noch auf dein Boot, Blafjoll, und ich werde ihm nicht mehr von der Seite weichen. Der Beistand Ulldraels mag gut sein, aber der Gerechte bedient keine Ruder, falls wir schnell weg müssten. Ich packe meine Sachen und komme zu eurer Hütte.«
    Der Waljäger erhob sich. »Und ich werde mich augenblicklich umhören, ob jemand etwas über die Frau gehört hat. Lorin kennt mein Boot, ihr werdet mich also nicht benötigen.«
    Die kleine Versammlung löste sich auf.
    Als Fatja, Matuc, Lorin und Arnarvaten an der Kate der Fremdländler angelangt waren, stand die Tür einen Spalt offen, die Fenster waren größtenteils eingeworfen, und jemand hatte in schlechter Handschrift »Kalisstras Zorn« auf die Wand gemalt.
    Der Mönch humpelte ins Innere und stieß einen empörten Schrei aus. Unbekannte hatten den Vorhang vor seinem Heiligtum zu Boden gerissen und das Standbild aus Walbein brutal zerschlagen, sodass nur kleine Stückchen von der kunstvollen Arbeit Blafjolls übrig geblieben waren. Die einfachen Möbelstücke lagen kreuz und quer im Raum verteilt, und auch hier stand der Spruch geschrieben.
    »Das musste ja mal so kommen«, murmelte Arnarvaten und schüttelte fassungslos das Haupt, während er Fatja in den Arm nahm. »Diese Idioten.«
    Der Geistliche hockte in den Trümmern der kleinen Statue und fuhr mit den Fingern über die Reste. »Der Gerechte ist nicht durch das Zerstören eines

Weitere Kostenlose Bücher