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Unter Den Augen Tzulans

Unter Den Augen Tzulans

Titel: Unter Den Augen Tzulans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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verwandelte sich die Flüssigkeit auf dem winterlichen Steinboden sehr schnell in eine gefährliche Rutschfalle. Und es würde bald noch schlimmer werden.
    Mit dem Dolch tippte er sich gegen den Riss in der Unterlippe, während seine Augen gebannt an dem Pergament klebten, ohne jedoch etwas Neues zu entdecken. Windtrutz stand wie in den Berg hineingemeißelt, die Rückseite einer schützenden, unerklimmbaren Felswand hinter sich, den einzigen Pass der ilfaritischen Nordgrenze unter sich kontrollierend.
    Sicher, bis vor das Tor und die kleine Hochebene davor schafften es seine Männer immer, aber dann war Schluss. Die Eingeschlossenen verfügten über die bessere Ausgangsposition dank der gewaltigen Mauern, die nur ein Erdbeben selbst zum Einsturz bringen konnte. Eigene Katapulte in Stellung zu bringen, war wegen der geringen Distanz zum Gegner Schwachsinn. Die Fernwaffen wären schneller zerstört als aufgebaut.
    Lediglich von den beweglichen, stabileren Wandeltürmen hatte sich der Stratege im wahrsten Sinne des Wortes einen Durchbruch erhofft, aber die letzten Balken und Knochen seiner Männer verkohlten gerade. Der Rammbock im unteren Teil der Maschine war nicht einmal zum Einsatz gekommen.
    Ein Erdbeben, überlegte Varèsz, die Augen wurden zu Schlitzen. Woher bekomme ich ein Erdbeben? Widock stürmte in seine Unterkunft, den Bart um Mund und Nase weiß vom gefrorenen Atemdampf. »Herr, die Stimme Tzulans! Sie ist gleich hier!«
    Varèsz grinste und rammte den Dolch in die stilisierte Festung auf seinem Plan. »Da habe ich doch mein Erdbeben.« Die beiden Männer liefen hinaus, um den Transport dessen mitzuerleben, was die Konstrukteure Mortva Nesrecas ihnen zu Hilfe geschickt hatten.
    Die »Stimme Tzulans« bezeichnete die monströseste Bombarde, die jemals gefertigt worden war. In einem langen Tross kämpften sich die Pferde mit ihrer Last, die auf mehrere Karren verteilt war, die Serpentinen hinauf. Allein für den vordersten Wagen mit dem Geschützrohr waren zwanzig Pferde notwendig, für die Wiege der Bombarde spannten die Helfer vierundzwanzig Tiere ein. Für den zerlegten Schirm benötigte man drei zweispännige Kutschen, ein vierspänniger Wagen für das Hebezeug, nochmals acht weitere Vierspänner für die zwei Dutzend Steinkugeln. Jeweils ein weiteres Fahrzeug stand den acht Knechten und dem Geschützmeister zur Verfügung. Der mit Eisenblechen beschlagene, geschlossene Karren mit dem Pulver folgte in einem Warst Abstand.
    Das Eisenrohr war besonders aufwändig mit Gravuren und Sprüchen versehen worden. Um die Mündung hatten die Schmiede den stilisierten Kopf Tzulans aus schwarz gefärbtem Metall geformt, dessen riesiger Mund sich zu einem Schrei öffnete. Daraus würde sich seine Stimme erheben. Als Augen hatte man dem Gesicht jeweils Rubine eingesetzt.
    Der Mann, der für das Bedienen der unvorstellbaren Bombarde verantwortlich war, trug eine goldene Perücke. Augenblicklich erinnerte sich Varèsz an den Menschen, der damals den wahnsinnigen Arrulskhân so treffsicher aus dem Sattel geschossen hatte.
    Der Geschützmeister sprang vom Wagen und lief auf den Strategen zu, die Wiedersehensfreude stand ihm ins Gesicht geschrieben.
    »Der Goldene steht Euch einmal mehr zur Verfügung.« Er verbeugte sich grinsend vor dem finsteren Mann. »Wie Ihr seht, trage ich die Perücke immer noch. Ich werde Euch diese Mauern innerhalb von zwei Wochen öffnen, schätze ich einmal.«
    »Wenn du deine guten Augen trotz deines fortgeschrittenen Alters beibehalten hast«, meinte Varèsz. »Wo wird die Bombarde aufgebaut? Wir dürfen nicht zu weit an die Festung heran.«
    »Redet bitte etwas lauter, Herr. Mein Gehör zollte dem Bombardengrollen Tribut«, sagte er und legte eine Hand hinter die rechte Ohrmuschel. »Dieses Meisterstück muss nicht näher heran. Wenn wir unter einem Warst Abstand bleiben könnten, wäre die Wucht natürlich größer. Das stärkste Katapult reicht vierhundert Schritt.« Abschätzend betrachtet er die kleine Anhöhe und suchte nach großen Steinquadern. »Ich sehe nichts, was auf etwas Größeres, wie etwa ein Tripantum, hinweist, oder?«
    »Das kann ich nicht sagen«, gab der Stratege zu. »Bis jetzt mussten sie schweres Gerät noch nicht einsetzen.«
    »Bitte, Herr? Ihr wisst, meine Ohren.« Der Bombardier zuckte bedauernd mit den Schultern.
    »Keine Ahnung«, brüllte der Anführer der Belagerer.
    »Dann schlage ich vor, wir nehmen das Schlimmste an und gehen vorsichtshalber auf einen

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