Unter Den Augen Tzulans
tönte es über den Strand und erinnerte den Freibeuter etwas an borasgotanische Weisen, nur etwas flotter und nicht ganz so hundserbärmlich traurig. Zum ersten Mal hörte man auf Rogogard ein Lied aus dem Süden der Welt, von einem gänzlich anderen Kontinent. Nach der letzten Strophe brandete Applaus auf.
»Das ist sehr nett, aber mit einem echten Freibeuterlied kann es nicht mithalten«, meinte Torben. Ein kurzer Schluck aus dem Grogtopf, ein Räuspern der Kehle und die Stimme von Torben Rudgass schmetterte los. Es dauerte nicht lange, und die anderen Ulvsgründler brummten mit.
Auch wenn die rund hundert Männer nicht die Stimmgewalt der Gäste vermitteln konnten, die Tarviner freuten sich über das Ständchen und zollten ebenfalls mit Händeklatschen ihren Respekt.
Als die Rogogarder Musikinstrumente anschleppten, gerieten die Tarviner völlig aus dem Häuschen, die Arbeit ging so mühelos wie schon lange nicht mehr in Ulvsgrund vonstatten.
Am frühen Abend lagen die einheimischen Boote an Land, alle weit das Ufer hinaufgezogen, damit ihnen die mit Sicherheit kommenden Winterstürme nichts anhaben konnten. Und würden die Musiker, die vor Kälte die steifen Finger fast nicht mehr bewegen konnten, weiterspielen, so lautete Torbens Vermutung, hätten die Fremden die Schaluppen und Schoner bis auf die andere Seite der Insel geschleppt.
Die Wirtschaft blieb nun geschlossen, die Dorfbewohner versammelten sich in der Werft, brachten Geschenke und Proviant mit. Aus der vorsichtigen Zurückhaltung war echtes Interesse an der anderen Kultur geworden.
Da die Sprache eine Barriere bildete und Varla nicht überall gleichzeitig sein konnte, behalf man sich mit Gefuchtel, hier und da hörte der Freibeuter die ersten zaghaften Versuche, die Worte der jeweils anderen zu erlernen.
Die Tarvinin zog sich irgendwann aus dem Sprachengewirr zurück und trat an Torbens Seite.
»Das hätte ich niemals gedacht«, sagte sie zufrieden. »Rogogard und Tarvin, die neue Allianz.«
»Die Völker scheinen sich gut zu verstehen«, meinte er. »Wie das bei Freibeutern so üblich ist.« Er setzte sich auf einen Balken und zog sie neben sich. »Ich möchte dir erzählen, was auf der Klapok und der Grazie geschehen ist, weil ich deinen Rat benötige. Es muss nicht jeder hören, und da gerade alle so schön abgelenkt sind, ist der Zeitpunkt recht günstig.« So ausführlich er sich an die letzten Ereignisse der beiden Schiffe erinnern konnte, gab er sie wieder und ließ nicht die kleinste Kleinigkeit aus. Dann schilderte er das Wichtigste von dem, was Waljakov ihm damals über den Kabcar erzählt hatte, und dass dieses Wesen wohl eine Helferin des Herrschers war.
Varla überlegte, nachdem der Freibeuter geendet hatte. »Dass mit meiner Auftraggeberin etwas nicht stimmte, habe ich erst bemerkt, als wir euch durch den Sturm jagen mussten«, sagte sie bitter. »Sie hat über tausend Leute den Fluten geopfert, um euch zu fangen. Spätestens als sie sich verriet, indem sie deine Passagiere erwähnte, wusste ich, dass es nicht nur um die verlorene Unschuld ging, wie sie mir zuerst darlegte. Und selbst meine Rache wegen der Sache in Tularky wurde gleichgültig.« Sie wirkte niedergeschlagen. »Es waren gute Seeleute, die einen solchen Tod nicht verdient hatten. Man müsste sie eigentlich rächen.«
»Also, du weißt auch nicht, was das für ein Wesen war?« Der Rogogarder sah sie abwartend an.
»Nein, beim besten Willen nicht«, bedauerte sie. »Hoffentlich starb sie in den Fluten. Auch wenn ich davon nicht unbedingt überzeugt bin, nach dem, was ich alles von dir gehört habe.« Sie schaute in ihren leeren Becher. »Wie wird es weitergehen?«
»Wir ziehen die Dharka in den nächsten Tagen aus dem Hafenbecken, lassen das Wasser auslaufen und beginnen, die schadhaften Stellen auszubessern«, erklärte er. »Das wird alles nicht unbedingt einfach. Allein die Rampe so zu verbreitern, dass der Dreimaster draufpasst, wird umständlich. Aber wir schaffen das. Die Kosten übernehme ich.«
Varla zog die Augenbrauen zusammen. »Kann es sein, dass ich gerade neben einem sehr reichen Mann sitze?«
»Nein, nicht wirklich reich. Ich werde mein Häuschen verkaufen müssen«, jammerte er Herz erweichend. »Aber immerhin habe ich dafür gesorgt, dass die Lerrán endgültig auf Grund lief. Da ist es nur rechtens, wenn ich in die Tasche greife. Im Ernst, Rogogarder sind Freibeuter. Und die Ulvsgründler werden mir als Landsmann eine verbilligte Rechnung
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