Unter den Linden Nummer Eins
Münchner Theatergruppe gewesen, die sich auf völkisch-germanische Stücke schwülstigen Inhalts spezialisiert hatte. Bei einer Aufführung in Nürnberg anläßlich des Reichsparteitags war Goebbels auf ihn aufmerksam geworden und hatte ihn in der Garderobe besucht. Am nächsten Tag war Randhuber in die NSDAP eingetreten, und eine steile Karriere hatte ihren Anfang genommen.
Holtsen schnappte mit den Fingern. Tron-Herman eilte wieder wie durch einen Zauber augenblicklich herbei, kredenzte Champagner und stellte die angebrochene Flasche in einen mit Eissplittern gefüllten Sektkühler auf den Glastisch.
»Auf den Führer!« toastete Holtsen und erhob sich, um anzustoßen.
»Heil Hitler!« prostete Randhuber und erhob sich ebenfalls.
»Zum Wohl!« sagte Galgon, sprang auf und schaffte es, dabei die Hacken zusammenzuschlagen. »Und auch ein Hoch auf all die schwedischen Freunde, die es dem Reich durch ihre unbürokratische Hilfe erlauben, eine würdige Luftwaffe aufzubauen.«
Sven Hedin trat zu Holtsen und den Deutschen, in der Hand einen Stoß beschriebener Notizzettel, zusammengehalten von einer überdimensionalen Heftklammer.
»Und natürlich auch ein Hoch auf all diejenigen, die dem deutschen Volk von jeher in tiefster Freundschaft verbunden sind.« Holtsen schob dem berühmten Mann sanft seine Pranke auf die Schulter, und Tron-Herman brachte eine Champagnerflöte.
»Hochgeschätzter Doktor Hedin«, Holtsen machte einen Schritt zur Seite und ließ Sven Hedin in den Kreis. »Darf ich Ihnen die Herren Doktor Randhuber und Hauptmann Galgon vorstellen? Sie sind in einer diskreten Mission für Herrn Hitler bei mir zu Gast gewesen.«
Sven Hedin legte die Notizblätter auf den Glastisch, schüttelte Hände und erhob sein Glas. »Skål, die Herren! Hocherfreut!« Er nickte wohlwollend. »Ich bin sehr optimistisch, den Führer noch in Bälde persönlich zu treffen. Einladungen seitens Doktor Goebbels und von Herrn Göring liegen mir schon seit geraumer Zeit vor. – Ja, meine Herren, und wir haben wirklich Glück, daß wir uns hier in Hus Trollhem noch begegnet sind. Dieser Vortragsabend wird für längere Zeit nämlich mein letzter auf schwedischem Boden sein. Ich bin quasi en route zu einem Sinologentreffen in Berlin – dort werde ich auch endlich die Herren Goebbels und Göring beehren –, und dann geht es für einige Monate weiter in die Neue Welt.«
Randhuber machte eine zackige Verbeugung, Golgons Hacken klackten.
»Aber, ich denke …«, Sven Hedin schaute auf die Armbanduhr und nahm seine Aufzeichnungen wieder an sich, »so langsam sollten wir uns doch …« Er wedelte mit seinen Zetteln.
»Natürlich, stante pede , mit dem größten Vergnügen, Herr Doktor«, beeilte sich Holtsen zu versichern, »im Konferenzzimmer ist alles für den, äh, Höhepunkt des Abends vorbereitet – hoffentlich zu Ihrer Zufriedenheit. Sollte dennoch etwas fehlen, bitte scheuen Sie sich nicht, meine Wenigkeit oder Tron-Herman zu bemühen.« Er wandte sich seinen deutschen Gästen zu. »Heute ist es ein bißchen ungünstig, ausgiebig mit Doktor Hedin zu plaudern, aber wir alle werden vielleicht in der nächsten Woche eine bessere Gelegenheit dazu haben.«
»So?« Sven Hedin zog die Augenbrauen hoch.
»Mit Verlaub«, sagte Holtsen. »Doktor Randhuber, Hauptmann Galgon und ich reisen ebenfalls nach Berlin.«
»Ach«, sagte Sven Hedin, »wohnen Sie zufällig im Kaiserhof ? Dort werde ich nämlich mein Quartier aufschlagen.«
»Der Führer steigt auch im Kaiserhof ab, wenn er in Berlin ist«, sagte Randhuber. »Der Kaiserhof ist, mit Verlaub, das beste Haus, das die Reichshauptstadt zu bieten hat.«
Holtsen musterte Randhuber eine Weile, dann flog über sein Gesicht ein mildes Lächeln. »Mein hochgeschätzter Doktor Randhuber. Wir mögen in vielen Dingen durchaus einer Meinung sein, politisch, weltanschaulich – was Sie wollen! Aber was das beste Hotel in Berlin angeht, da muß ich Ihnen doch vehementestens widersprechen. Ich wohne, wenn ich in Berlin bin, selbstredend immer nur Unter den Linden im Adlon . – Wo denn sonst!«
Randhuber gab das Lächeln mit einer angedeuteten Verbeugung zurück. »Ganz wie Sie meinen, lieber Herr Direktor. Die Partei hat natürlich auch im Adlon Hotel eine würdige Vertrauensperson. Ein gewisser Kassner ist unser Mann, Otto Kassner, Assistent des Kellermeisters und ein Pg. der ersten Stunde. Wir werden – bei Glatteis – über ihn an Sie herantreten.« Randhuber machte ein ernstes
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