Unter deutschen Betten
warmes Wasser mehr.
Also duschte ich mich mit kaltem Wasser.
Mein Leben in Deutschland war schlimmer, als es in Polen je gewesen war.
Ich überlegte, ob ich wieder nach Hause fahren sollte; ich hatte Heimweh. Aber Polen erschien mir damals schon so weit weg, und ich hatte meinen Traum noch nicht vergessen, wegen dem ich aufgebrochen war.
Nein, ich wollte es in Deutschland schaffen.
Gargamel hatte praktisch jede Woche eine andere Freundin.
Da wurde dann immer ein tolles Abendessen serviert. Manchmal durfte ich dabeisitzen und habe auch etwas davon bekommen.
Aber gerne tat ich das nicht, denn wenn ich am Tisch dabeisaß, schauten mich die beiden immer an, sagten etwas und lachten mich aus. Ich verstand ja nichts.
Natürlich ging er mit den Frauen immer ins Bett.
Einmal kam eine im roten Cabrio, sie war Zahnärztin und stöhnte beim Sex so laut, dass ich es zwei Stockwerke darüber in meinem Zimmer hörte.
Kurz vor dem Orgasmus schrie sie: »Du Hengst, Du Hengst, Du Heeeeengst!« Ich legte mir mein Kissen auf den Kopf.
Am nächsten Morgen behandelte mich die Reiterin wie eine Dienstmagd:
»Bringen Sie mir noch einen Orangensaft.«
»Junge Dame, Toast!«
»Die Eier sind zu weich. Bitte noch mal!«
Dabei lachte sie, als handele es sich um einen Spaß. An Gargamel gewandt, flötete sie:
»Ach, ist das schööööön, so bedient zu werden.«
Und weil sie mich so mochte, wollte sie mir noch einen guten Rat mitgeben. So von Frau zu Frau:
»Sie müssen sich unbedingt mal Ihre Zähne bleichen lassen.«
Seitdem habe ich eine Abneigung gegen weibliche Zahnärzte.
Mir hatte Gargamel übrigens strikt verboten, Männerbesuch zu empfangen.
Es lebe die Doppelmoral!
Frohe Feste
G argamel nahm mich nie irgendwohin mit. Noch nicht einmal zum Einkaufen. Nur einmal lud er mich ein: zum Fastnachtszug nach Mainz.
Ein Erlebnis der besonderen Art …
Ich fand es furchtbar: Hunderttausende in enge Gassen gepresst, dazwischen der Zug mit schweren Traktoren und vielen nervösen Pferden.
Bis elf Uhr hatten mir bereits drei Piraten vor die Füße gekotzt.
In Polen feiert man keinen Fasching. Normalerweise hätte ich es nett gefunden, dass mir mein Au-pair-Vater mal eine echt deutsche Tradition zeigen wollte.
Aber leider war der Beweggrund, mich mitzunehmen, ein anderer:
Alexandra wollte Bonbons fangen, und die musste jemand sammeln und am Ende heimtragen.
Während ich mit Alexandra auf dem Boden herumkroch und verklebte Süßigkeiten sammelte, riss Gargamel Frauen auf.
Ein seltsamer Brauch.
Zu Weihnachten holten mich meine Eltern heim nach Polen. Als sie am 20. Dezember vor der Tür standen, fiel ich ihnen mit überschwenglicher Begeisterung um den Hals.
Gargamel hatte, ganz entgegen seiner sonstigen Art, für die ganze Familie Weihnachtsgeschenke besorgt:
Einen tanzenden Weihnachtsbaum für meine Mutter, die etwas verwundert schaute, sich aber über die Geste freute.
Eine weihnachtliche Tischdecke für meinen Vater und für mich ein paar Duftseifen. Nette Aufmerksamkeiten.
Mein Vater hatte im Gegenzug – wie seitdem bei jedem Besuch – zehn Stangen Marlboro mitgebracht. Als Gastgeschenk. Am 22. fuhren wir heim nach Polen.
Weihnachten zu Hause war wunderbar!
Wir eröffnen den Heiligabend wie in Polen üblich mit dem Teilen der Oblaten, die wir aus der Kirche mitgebracht haben, und wünschen uns dabei frohe Weihnachten. Danach liest mein Vater die Weihnachtsgeschichte aus der Bibel vor. Nach dem Essen singen wir Weihnachtslieder und teilen Geschenke aus.
Aber in diesem Jahr waren die Geschenke nicht das, worauf ich mich am meisten freute.
Ich hatte Hunger. Und es gab zu essen, dass sich die Balken bogen.
Das traditionelle polnische Weihnachtsmenü besteht aus zwölf Speisen. Vier davon werden heiß gereicht, neun kalt. Alle sind fleischlos und aus ganz einfachen Zutaten zubereitet. Zur Erinnerung an die Armut der biblischen Hirten, die das Jesuskind in der Krippe anbeteten. Weil ich aus einer Region Polens komme, die sehr waldreich ist, gibt es bei uns die traditionellen Speisen meistens irgendwie mit Pilzen:
Barszcz z uszkami [Rote-Bete-Suppe mit Pilzteigtaschen]
Karp [Karpfen]
Pierogi z kapustą i grzybami [Maultaschen mit Kraut und Pilzfüllung]
Kapusta z grzybami lub groszkiem [Sauerkraut mit Pilzen oder Erbsen]
Zupa grzybowa [Pilzsuppe]
Ziemniaki z sosem grzybowym [Kartoffeln mit Pilzsoße]
Śledź w oleju albo w smietanie [Hering in Öl oder Sahne]
Krokiety
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