Unter deutschen Betten
gesessen, und die beiden hatten uns angesprochen. Sie waren nett. Also tauschten wir unsere Nummern aus.
Einer von ihnen rief mich am nächsten Tag an.
Wir trafen uns ein paarmal.
Adem war süß, hatte lange, schwarze Haare und sanfte braune Augen. Ich erinnere mich noch gut, als ich ihn zum ersten Mal sah. Er gefiel mir auf Anhieb. Sein großer, durchtrainierter Körper zeichnete sich unter dem dünnen, eng anliegenden T-Shirt ab, das er trug.
Und er war witzig.
Er bemühte sich sehr um mich. So dauerte es nicht lange, bis wir beide ein Paar waren.
Adem hatte Verbindung zu einer Putzgesellschaft, die in Schulen und anderen öffentlichen Einrichtungen für Ordnung und Sauberkeit sorgte. Eine deutsche Firma.
Dort gab es die Möglichkeit, ohne Lohnsteuerkarte zu putzen. Schwarz.
Ich heuerte an.
Jeden Tag wurde ich um 17 Uhr im Gemeinschaftsbus vor meiner Haustür abgeholt und fünf Stunden später wieder abgeliefert.
Das war wesentlich entspannter als der Job im Bistro.
Von 80 Wochenstunden fiel ich so innerhalb eines Tages auf nur noch 28.
Fahrtzeit exklusive.
Für damals 15 Mark pro Stunde bar auf die Hand.
Also 60 Mark pro Tag.
Das war am Ende sogar noch viel mehr Geld, als ich im Bistro verdient hatte. Und mein Leben entspannte sich dadurch total. Allerdings musste ich mir nun eine eigene Bleibe suchen, weil ich die Wohnung hinter dem Bistro natürlich verlassen musste.
Ich zog bei meinem Freund ein.
Das war zu der Zeit, als Kosovo-Albaner wegen des Krieges Asyl in Deutschland erhielten. Nachdem der »Kosovokrieg« Mitte 1999 beendet war, mussten die Flüchtlinge in den Folgejahren Deutschland nach und nach wieder verlassen.
Auch Adem musste zurück nach Albanien. Seine beiden Schwestern hatten die Erlaubnis zu bleiben. Die eine war in Hamburg mit einem Albaner verheiratet, der einen deutschen Pass hatte. Die andere wohnte auch in Offenbach und war als Frau eines deutschen Arztes ebenfalls vor der Abschiebung sicher. Nur Adem hatte niemanden mit deutschem Pass.
Ich konnte ihm leider auch nicht helfen.
Im Blick zurück hätte ich es gerne getan. Obwohl unsere Beziehung damals schon nicht mehr stark war.
Denn Adem war krankhaft eifersüchtig. Kaum eine Minute ließ er mich aus den Augen. Hinter jedem männlichen Gesprächspartner vermutete er einen Rivalen. Er zweifelte meine Treue permanent an. Mit Freundinnen durfte ich mich nur alleine treffen, wenn er mich absetzte, um sich zu vergewissern, dass auch keine Männer da waren. Selbstverständlich holte er mich auch immer persönlich ab.
Ich bekam langsam keine Luft mehr.
Als er einmal zur Beerdigung eines Freundes, der im Krieg gefallen war, nach Albanien flog, verabschiedete Adem sich mit den Worten: »Wenn Du mich verlässt, gehe ich sofort in den Kosovo zurück!«
Das war als Drohung an mich gedacht.
Er hatte ja keine Ahnung, dass ich zu diesem Zeitpunkt die Vorstellung, ohne ihn zu leben, ganz und gar nicht mehr bedrohlich fand.
Im Gegenteil.
Ich wünschte nur, wir hätten uns unter günstigeren Umständen trennen können. Aber wann ist eine Trennung schon »günstig« …
Und so kam es, wie es kommen musste:
Als Adem im Kosovo seinen Freund beerdigte, packte ich meine Sachen und zog zu Freunden in deren WG.
Als er zurück war, wollte er mich unbedingt treffen, aber ich war dazu nicht mehr bereit. Mit ihm reden? Worüber?
Außerdem war Adem sehr aufbrausend und hatte mich schon einmal fast geschlagen, als er wieder im Eifersuchtsrausch meinte, ich hätte ihn betrogen.
Ich hielt es für sicherer, mich nicht mehr mit ihm zu treffen.
Mein Bauchgefühl wurde bestätigt, als ich Adem ein halbes Jahr später in der Stadt traf. Ich hatte ihn erst gar nicht bemerkt. Plötzlich stand er wutschnaubend vor mir, ein Klappmesser in der Hand und fuchtelte damit wild vor meinem Gesicht herum:
»Ich bin extra wegen Dir zurückgekommen! ICH BRING DICH UM!«
Ein Freund hielt ihn gerade noch zurück.
Ich konnte danach vor lauter Angst tagelang nicht alleine auf die Straße gehen.
Ein paar Monate später hörte ich, dass Adem Deutschland verlassen musste.
Trotz allem tat er mir leid.
Ich wusste, wie sehr er an seinem Leben in Deutschland hing. Und obwohl ich seine aufbrausende Art hasste, konnte ich mich doch mit seiner Situation identifizieren.
Mir ging es ja auch nicht viel anders.
Mit dem Ende unserer Beziehung war natürlich auch meine Beschäftigung bei der Reinigungsgesellschaft beendet.
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