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Unter deutschen Betten

Unter deutschen Betten

Titel: Unter deutschen Betten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justyna Polanska
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das Auto versetzt hatte. Das war für mich ganz schrecklich, denn in Polen ist Gastfreundschaft eine der wichtigsten Tugenden. Lieber verschuldet man sich, als einen Gast nicht fürstlich zu versorgen.
    Ihn zum Chauffeur zu degradieren wäre undenkbar gewesen.
    Aber damit hatte Gargamel kein Problem.
     
    Der Kühlschrank war fast immer leer. Es gab kaum etwas zu essen. Aber Hauptsache, ein Au-pair-Mädchen war im Haus …
    Meine Aufgabe war es, aus dem, was irgendwo noch herumlag, etwas Essbares zu kochen.
    So gab es fast immer Pfannkuchen, denn Mehl und Eier waren meistens da. Kein Käse, keine Wurst, kein Obst.
    Den Milchreis, den ich mir einmal aus dem Kühlschrank nehmen wollte, musste ich zurückstellen: »Der ist für Alexandra«, hatte Gargamel verfügt.
     
    Nur wenn Gargamel wieder ein Bild verkauft hatte, konnte eingekauft werden. Aber das geschah höchstens einmal im Monat.
     
    Ich war ständig hungrig und brauchte dringend Hilfe.
     
    Eine Woche nach meiner Ankunft hatte Magdalena uns besucht.
    Sie hatte mal schauen wollen, wie es mir so geht.
    Damals hatte ich erfahren, dass sie meine Vorgängerin gewesen war, als Gargamel und Birgit noch verheiratet waren.
    Es hatte mir gutgetan, meine Muttersprache wieder zu hören und mich flüssig austauschen zu können.
    Magdalena war ein wenig distanziert gewesen, aber hatte mir am Ende angeboten, dass ich sie anrufen könne, wenn ich etwas bräuchte.
    Sie hatte berichtet, wie nett doch die Familie sei und dass ich es »sicher nie bereuen« würde, dorthin gekommen zu sein.
     
    Sie hatte ja keine Ahnung …
     
    Als ich wieder einmal rasenden Hunger hatte, kam ich auf ihr Angebot zurück und rief sie in meiner Verzweiflung an. Das Gespräch lief in etwa so ab:
Ich: Magdalena, ich bin so hungrig!
Sie: Dann iss doch was.
Ich: Es ist nichts da. Der Kühlschrank ist immer leer.
Sie: Komisch, als ich bei ihnen arbeitete, war immer etwas zu essen da.
Ich: Kann sein, da war ja auch noch Birgit im Haus.
Sie: Ach komm, Du übertreibst. Es muss doch was zu essen da sein.
Ich: Nein, nur ein bisschen Mehl und zwei Eier. Das reicht gerade für Alexandra. Was soll ich nur machen?
Sie: Tja … Du schaffst das schon. Ich muss jetzt weiter. Tschüss!
    So viel zum Thema Solidarität. Nach diesem Gespräch wusste ich: Ich war allein.
     
    Also riss ich mich zusammen, klagte nicht mehr und ernährte mich von da an widerspruchslos weiter von Toast ohne Butter, Nudeln ohne Soße und Pfannkuchen ohne Kompott.
    Bei Gargamel beschwert hatte ich mich nie. Ich war zu schüchtern und hätte auch nicht gewusst, wie ich mich hätte ausdrücken sollen.
    So gut war mein Deutsch damals noch lange nicht.
     
    Einmal in der Woche durfte ich in die Stadt gehen. An meinem freien Tag. Aber ich kannte ja niemanden und war völlig isoliert.
    Nur einmal, in der Volkshochschule, hatte ich zwei Polinnen kennengelernt.
    Die eine war Putzfrau.
    Vorher war sie wie ich Au-pair-Mädchen gewesen. Sie erzählte, wie ihre Familie sie immer mit in den Urlaub genommen hatte.
    Nach Italien!
    Davon konnte ich noch nicht einmal träumen. Mich hätte schon eine Tiefkühlpizza gefreut.
     
    Erst viel später fand ich heraus, dass Gargamel auch meine Krankenversicherung, die mir versprochen worden war, nie bezahlt hatte. Deshalb musste ich, als ein Backenzahn Ärger machte, zu seinem Nachbarn gehen. Der war Zahnarzt und behandelte mich umsonst.
    Ganz so intensiv scheint die Freundschaft der beiden aber nicht gewesen zu sein: Bei der Wurzelbehandlung sparte er an der Narkose.
     
    Aber ich war ihm trotzdem sehr dankbar.
    Er war wenigstens nett und bot mir an, jederzeit wieder kommen zu können.
    Nur hoffte ich, sein Angebot niemals annehmen zu müssen.
     
    Meine Deutschkurse an der Volkshochschule, die ebenfalls ausgemacht waren, bezahlte Gargamel nur im ersten Monat. Danach wollte er sie mir vom Lohn abziehen.
    Aber den bekam ich sowieso fast nie in voller Höhe. Wenn ich Glück hatte, steckte er ihn mir scheibchenweise zu.
    Also ging ich nicht mehr zur Schule.
     
    Ich versuchte, meiner wachsenden Hoffnungslosigkeit Herr zu werden, indem ich regelmäßig nach Hause telefonierte. Dreimal die Woche eine Viertelstunde. Die Telefonate mit meiner Mutter, meiner Schwester und meinem Vater waren meine Highlights.
    Aber nach zwei Monaten wurde der Anschluss abgestellt. Gargamel hatte seine Rechnung nicht bezahlt.
     
    Die Ölheizung im Gewölbekeller ereilte dasselbe Schicksal. Ab Januar hatten wir keine Heizung und kein

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