Unter deutschen Betten
bei der ich weiter selbst meinen Lebensunterhalt verdienen kann, sehe ich derzeit nicht.
Zumal ich sagen muss, dass ich durchaus Kunden habe, von denen man ein Biegen der Gesetze nun wirklich gar nicht erwarten würde.
Da ist zum Beispiel Tanja K. Sie ist Richterin und meinte beim Einstellungsgespräch:
»Sie wurden mir als verschwiegen empfohlen. Ich muss mich hundertprozentig darauf verlassen können, dass Sie niemandem – und ich meine NIEMANDEM – von Ihrer Tätigkeit für mich erzählen. Ansonsten bekommen WIR BEIDE große Probleme!«
Sie hätte mir nicht drohen müssen, ich bin sehr verschwiegen. Wenn ich etwas erzähle, dann nur mit verändertem oder abgekürztem Namen.
Nehmen wir zum Beispiel Polizeihauptkommissar R. Bei ihm putze ich nicht nur schwarz, sondern gieße einmal die Woche auch seine »Tomaten«. Dass es sich dabei um Hanfpflanzen handelt, weiß ich spätestens, seitdem sie geblüht haben.
Aber wir tun weiterhin so, als hätten wir beide keine Ahnung von der illegalen Zucht auf dem großen Sonnenbalkon.
Ich frage mich ohnehin, wozu er die eigene Zucht braucht.
In seiner Nachttischschublade liegen immer mehrere Plastiktütchen mit irgendwelchen Gräsern oder Pillchen. Als ich ihn einmal darauf ansprach, wo er das alles herhabe, antwortete er mit schockierender Ehrlichkeit:
»Das wird bei uns doch sonst nur weggeworfen!«
Ich hoffe, die Polizei verteilt die Drogen aus diversen Razzien nicht im großen Stil an die Beamten. Einige scheinen sich aber wohl von sich aus gut zu bedienen.
Doch wer weiß, vielleicht ist Polizeihauptkommissar R. ja auch nur eine unrühmliche Ausnahme …
Christian F. ist SPD-Abgeordneter. Auch eine Klientel, die ich nicht auf meiner Kundenliste erwartet hätte, die aber durch positive Mund-zu-Mund-Propaganda immer stärker vertreten ist.
Überall gilt der Grundsatz: Sehen und schweigen.
Kein Problem.
Aber ich schweige auf meine Art.
Dazu kommen Rechtsanwälte, Ärzte, Psychologen, Werber, Manager.
Und ein Puffbesitzer.
Ich muss zugeben, dass ich anfangs Berührungsängste hatte. In Polen ist Prostitution noch etwas viel Unanständigeres als in Deutschland. Obwohl dort sicher genauso viele Männer für Liebe bezahlen wie hier. Aber Doppelmoral gibt es eben auch in Polen.
Mittlerweile putze ich im Puff besonders gern.
Ich komme morgens, wenn das Geschäft vorbei ist. Die Prostituierten bevorzugen selbst den Begriff »Nutten« – aber nur, wenn sie untereinander sind und von sich sprechen. Aus dem Munde eines Mannes oder einer unbeteiligten Frau, empfinden sie die Bezeichnung »Nutte«, so wie sie ja auch allgemein benutzt wird, als Beleidigung.
Ich darf die Prostituierten inzwischen Nutten nennen, was ich als Ritterschlag empfinde.
Wenn ich morgens in die Zimmer komme, liegen oft Bonbons oder andere Süßigkeiten für mich auf den Nachttischen.
Das ist so lieb.
Ich glaube, es liegt daran, dass diese Frauen wissen, was es heißt, ganz unten auf der sozialen Leiter zu stehen. Und wie schwer solche liebevollen Achtsamkeiten wiegen.
Wenn ich die kleinen Süßigkeiten einsammle, beginnt mein Arbeitstag mit einem Lächeln.
Danach leere ich erst einmal die Mülleimer: Kondome, Gleitcremetuben und Klistiere wandern in den Sack. Dazu eine Menge Küchentücher. Es gibt viel abzuwischen.
Aber im Großen und Ganzen dachte ich, es gehe schmieriger zu im Bordell. Zwar muss ich den einen oder anderen Spermafleck wegwischen.
Aber das muss ich bei Leuten zu Hause auch.
Erstaunlicherweise ist es im Puff recht ordentlich, wenn ich komme.
Viel ordentlicher als in einigen Haushalten, in denen ich beschäftigt war.
»Die Kunden erwarten Sauberkeit«, hat mir der Puffbesitzer erklärt.
Wenn man sich erst einmal an den Gedanken gewöhnt hat, was hier nachts passiert, ist das Saubermachen reine Routine.
Und dank der liebenswürdigen Mädels sogar eine sehr willkommene.
Eine bat mich sogar letzte Woche, bei ihr privat zu putzen. Sie ist alleinerziehend und braucht Hilfe.
Bei mir könne sie sich sicher sein, dass ich sie nicht von oben herab betrachte, vertraute sie mir an.
Stimmt.
Das würde mir im Entferntesten nicht mehr einfallen.
Jetzt, wo ich hinter die Fassade schauen durfte.
Justyna, die Gerechte
N utten sind nicht die einzige soziale Gruppe, die mit Vorurteilen zu kämpfen hat.
Polnische Putzfrauen gehören auch dazu:
Noch zu D-Mark-Zeiten antwortete eine Dame mittleren Alters auf
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