Unter deutschen Betten
Seine Freunde holten mich eines Morgens einfach nicht mehr ab. Ich hakte nicht nach.
Hätten sie nicht die Initiative ergriffen, hätte ich sowieso gekündigt.
Es war vorbei.
Aber das Putzen hatte mir Spaß gemacht. Also suchte ich mir nun meine eigenen Putzstellen. Das ging ohne Probleme, und ich konnte sofort gut davon leben. Ich war jetzt meine eigene Chefin.
Selbständig und eigenverantwortlich.
Und es fühlte sich gut an.
Ich glaube, das war die Zeit, zu der ich zwar nicht meine Leidenschaft, aber doch immerhin ein Talent entdeckte:
das Putzen.
Neue Liebe
I n den Monaten nach der Adem-Episode lebte ich in einer Polen-WG. Acht Landsleute hatten ein ganzes Haus gemietet, in dem jeder ein Zimmer bewohnte.
Meines war im Erdgeschoss. Das Fenster öffnete sich zur belebten Straße hinaus, so dass ich die Köpfe der vorbeilaufenden Leute hätte berühren können.
Im Haus lebte auch Marek, ein netter Junge, mit dem ich recht schnell zusammenkam. Unsere Beziehung dauerte genau ein Jahr. Bis meine kleine Schwester zu Besuch kam. Sie war damals 14.
Die beiden hassten sich. Marek spielte sich auf, als sei er ihr Vater, machte ihr Vorschriften und kommandierte sie herum. Dann verhielt er sich ihr gegenüber wieder wie ein Kleinkind, machte sich über sie lustig und piesackte sie, wo er nur konnte.
Heute glaube ich, er konnte nicht damit umgehen, dass ich meiner Schwester in den Wochen, in denen sie da war, mehr Aufmerksamkeit schenkte als ihm. Er fühlte sich wohl auf den zweiten Platz verwiesen. Und das schmeckte ihm gar nicht.
Es war wirklich nervig.
Er sprach sie ausschließlich mit »Kleine« an, was eine Vierzehnjährige natürlich auf die Palme bringt, weil sie gerade voll in der Pubertät ist und beginnt, sich als attraktive Frau zu erleben.
Ein Streit folgte auf den anderen.
Ansonsten sah ich von meiner Schwester nicht viel. Ich war arbeiten, und wenn ich heimkam, saß sie auf einem großen Kissen am offenen Straßenfenster und flirtete mit den Jungs aus der Nachbarschaft.
Meine Schwester hatte die Männer entdeckt.
Als ich sie das erste Mal am Fenster sitzen sah, musste ich lachen: Sie hatte sich geschminkt, trug Lippenstift und hatte sich mit meinem Nagellack die Fingernägel rot lackiert.
Sie trug ihr schönstes Kleid und hatte sich die Haare im Versuch einer Hochsteckfrisur so nach oben gezogen, dass sie aussah wie ein gerupftes Huhn.
Der Anblick war zum Brüllen.
Nachdem ich mich von meinem stillen Lachanfall erholt hatte, machte ich ihr ein Kompliment für ihren Look und bot ihr gleichzeitig an, ihr zu zeigen, wie sie sich »noch schöner« zurechtmachen könnte.
Sie war ganz begeistert und nahm die Hilfe gerne an.
So wurde es nun meine wichtigste Aufgabe, meine kleine Schwester morgens zuerst aufzuhübschen und sie dann so am Fenster zu drapieren, dass sie nicht aussah wie eine Prostituierte, sondern wie eine attraktive Sechzehnjährige.
Keine einfache Aufgabe.
Aber es führte zumindest dazu, dass sie ihre Sommerwochen in Deutschland in vollen Zügen genoss.
Den ganzen Tag flirtete sie mit den Jungs, die sie umschwirrten wie die Motten das Licht. Vor dem Fenster bildeten sich manchmal regelrechte Trauben von Kerlen, die sich dort trafen, um meine Schwester zu beeindrucken. Nach wenigen Tagen war der Bürgersteig vor meinem Zimmer der heißeste Treffpunkt der Straße geworden.
Nur die Besitzer des Restaurants gegenüber regten sich furchtbar über den täglichen Ansturm auf. Wohl auch deswegen, weil er leider auf der falschen Straßenseite stattfand …
Einmal schmissen sie rohe Eier, die an Fassade und Fenster klatschten, und bei den Jugendlichen vor dem Haus zu großem Gejohle und viel Erheiterung führten. Vertreiben ließen sie sich davon nicht.
Die Hormone sprühten wild. Und doch war alles ganz unschuldig und harmlos.
Die ersten Versuche in der Liebe.
Es war wirklich süß.
Und schicksalsschwer. Für mich.
Ich stand gerade im Bad, da rief meine Schwester auf Polnisch vom Fenster aus:
»Justyna! Komm raus! Der schöne Junge mit dem roten Golf will Dich kennenlernen!«
Mir stockte der Atem.
Der »schöne Junge mit dem roten Golf« war mit Abstand der attraktivste Typ der Nachbarschaft. Wir hatten ihn schon öfter in der Straße gesehen und von ihm geschwärmt. In seinem auffälligen roten Golf sah er unglaublich schick aus.
Er war genau mein Typ: Südländer, schwarze Haare, dunkle Augen, markantes Gesicht und einen
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