Unter deutschen Betten
meine Anzeige. Sie war eine meiner ersten Kundinnen und stellte sich mir als Jutta vor.
Es ging um eine Familie mit drei kleinen Kindern.
Drei-Zimmer-Wohnung im Erdgeschoss eines Jugendstil-Altbaus.
Dreimal die Woche.
Eine Stunde.
Am Telefon handelten wir meinen Stundenlohn aus. Das waren damals 15 DM.
Ich mochte die Frau eigentlich ganz gerne, fand es aber komisch, dass sie ständig zu Hause war, wenn ich putzte.
In der Regel geben mir die Kunden einen Schlüssel und überlassen mir das Feld.
Wohl auch deswegen, weil sie es nicht als besonders entspannend empfinden, wenn ich ihnen mit dem Staubsauger zwischen den Füßen herumfahre.
Aber Jutta war immer daheim, wenn ich putzte. Obwohl ihr Mann auf der Arbeit und ihre drei Kinder im Kindergarten waren und sie doch nun einmal Zeit für sich gehabt hätte. Ich wäre an ihrer Stelle in die Stadt gegangen, hätte mich mit Freundinnen getroffen oder geshoppt.
Die beliebtesten Putzzeiten
Die meisten Kunden möchten die Wohnung zum Wochenende sauber haben. Deshalb ist freitagmorgens der begehrteste Putztermin.
Samstags will keiner die Putzfrau im Haus haben.
Und montags meckern sie auch.
Generell lieber vormittags ab 11 Uhr.
Abends nicht später als bis zum Einbruch der Dunkelheit. Also gehe ich im Sommer auch um 20 Uhr noch mal schnell zum Bügeln.
Sonntags werde ich selten bestellt.
Wenn die Kunden im Urlaub sind, ist es ihnen in der Regel ganz egal, wann ich komme, Hauptsache, es ist alles sauber, wenn sie zurückkommen.
Stattdessen war sie wie an meine Fersen geheftet. Wenn ich im Schlafzimmer die Wäsche faltete, kam sie gerne unter dem fadenscheinigen Vorwand herein, sie suche etwas. Dann schaute sie sich kurz im Raum um und verschwand wieder.
Alle zehn Minuten.
Wenn ich die Küche wischte, das Bad machte oder das Kinderzimmer aufräumte, dasselbe.
Es dauerte nicht lange, bis ich begriff: Ich wurde kontrolliert.
Im Zehn-Minuten-Takt.
Aus Angst vor Diebstahl.
Mir war bis dahin noch gar nicht der Gedanke gekommen, dass jemand Angst haben könnte, ich würde klauen.
Ich verstand auch nicht, was ich überhaupt hätte klauen sollen. Es gab da nur einen Tisch und vier Stühle, ein Sofa, eine Schrankwand, einen Fernseher mit Videorekorder.
Was eben jeder so zu Hause hat. Auch jeder Pole.
Wenn Jutta mir mein Geld übergab, verband sie das regelmäßig mit einer Warnung. Als freundliches Lob verpackt:
»Weißt Du, Justyna, ich bin ja so froh, dass ich Dir vertrauen kann. Die Frau, die vor Dir hier geputzt hat, war auch eine Polin. Und die hat immer irgendetwas mitgehen lassen. Natürlich habe ich sie rausgeschmissen. So was geht gar nicht! Aber Du bist anders. Das finde ich toll. Bleib so, wie Du bist.«
Und dann kam meistens noch so ein Satz wie:
»Eigentlich bist Du keine Polin. Hahahahaaaa.«
Beim ersten Mal glaubte ich, meinen Ohren nicht zu trauen. Und erwiderte:
»Weißt Du, Klauen ist bei uns nicht genetisch verankert. Nicht alle Polen klauen. Ich habe noch nie etwas geklaut.«
Und was hier rumliegt, würde ich in meiner Wohnung auch gar nicht haben wollen! Aber das dachte ich nur im Stillen.
Darauf sie:
»Aber nein, das weiß ich doch. Deswegen meine ich ja: DU bist anders!«
Okay, hier war nichts zu machen …
Ich habe im Laufe der Jahre meine Einstellung zu solchen Vorurteilen verändert. Zu Anfang nahm ich sie persönlich und wurde oft sehr wütend. Aber das tat mir nicht gut, denn ich schluckte meinen Ärger runter und brachte ihn mit nach Hause. Ich stritt mit meinem Mann, fühlte mich niedergeschlagen und begann meine Arbeit zu hassen.
Heute verstehe ich besser, dass es in vielen Fällen gar nicht um mich geht.
Auch nicht um Polen oder Deutsche.
Ich glaube einfach, dass es generell schwierig ist für einige Menschen, jemand Fremdes in die eigenen vier Wände zu lassen.
Den Blick in Schränke zu erlauben, in die Schubladen, ins Bad, in die Toilette, ins Bett. Ins Allerheiligste.
Viele haben einfach Angst. Und manche haben tatsächlich schlechte Erfahrungen gemacht.
Putzfrauen sind keine Heiligen.
Überall gibt es angenehme und unangenehme Menschen. Ehrliche und unehrliche.
Wo viel Licht, da viel Schatten.
Und man trägt ja auch selbst immer beides in sich:
Licht und Schatten.
Aber es gelingt mir nicht immer, die Sache so zu sehen.
Manchmal bin ich immer noch persönlich verletzt und komme weinend von der Arbeit. Solche Tage gibt es.
Aber wer kennt das nicht?
Jutta stellte mich noch
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