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Unter Deutschen

Unter Deutschen

Titel: Unter Deutschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Kennedy
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es die einflussreichen alten Familien gewinnen kann (was ich allerdings für fraglich halte).
    Was politische Betätigung betrifft, sind uns die Russen voraus – sie öffnen Schulen, sie geben Zeitungen heraus, wir dagegen tun nichts dergleichen. Uns scheint eine klare politische Linie zu fehlen.
    Ich persönlich denke, dass die Russen noch einen weiten Weg vor sich haben, bis sie den furchtbaren ersten Eindruck, den sie bei den Berlinern hinterlassen haben, aus deren Erinnerung löschenkönnen. Daher wird jede politische Betätigung, die unmittelbar von Moskau getragen wird, große Schwierigkeiten haben, bei den Deutschen breite öffentliche Unterstützung zu finden.
Unterhaltung mit einem deutschen Mädchen
    Das Mädchen ist etwa zweiundzwanzig, spricht ein bisschen Englisch und ist Katholikin. Sie sagt, nachdem die Nazis an die Macht gekommen waren, sei es schwierig gewesen, in die katholische Kirche zu gehen, wenn auch nicht unmöglich. Sie dachte, die Deutschen würden den Krieg gewinnen, doch die ersten Siege waren nur von trügerischem »Glanz«.
    Die Zukunft Deutschlands sieht sie »melancholisch«. Nach Abschluss der Mittelschule verrichtete sie ein Jahr lang körperliche Arbeit, Schwerstarbeit. Anschließend besuchte sie die Universität. Als der Krieg immer schlimmer wurde, ging sie an die Westfront, um in einer Suchscheinwerfer-Einheit zu arbeiten. Dass der Krieg verloren war, spürte sie 1942, als die amerikanischen Flugzeuge herüberkamen.
    Als die Russen kamen, wurde sie mit ihren beiden Schwestern in den Keller gebracht. Ihre Kleider wurden »entfernt« – sie gab ihnen all ihre Ringe, schrie und fuchtelte mit einer Weinflasche. Ihr »Gesicht war blau angelaufen«. Zur Veranschaulichung schwenkte sieeine Flasche in meine Richtung. Ich glaube gern, dass kein Russe sie vergewaltigen wollte. Sie sagt, die Russen hätten sie nicht angerührt. Als die Russen das Bild der Heiligen Mutter und das Kreuz an der Wand sahen, hätten sie gesagt: »Ihr müsst gegen die Nazis sein, wenn ihr katholisch seid.«
    Die Menschen hätten nicht begriffen, was in den Konzentrationslagern vor sich ging. In vielerlei Hinsicht war die »SS« genauso schlimm wie die Russen. Die Lebensmittelversorgung in Berlin war überaus gut organisiert, selbst während der schwersten Luftangriffe.
    Ihr Bruder ist an der Ostfront gefallen, und ihr Verlobter ist in einem Kriegsgefangenenlager in Italien. Sie glaubt, dass Russland und die Vereinigten Staaten Krieg führen werden, wenn Russland so weit ist. Sie wissen jetzt, dass unsere Ausrüstung weit überlegen ist.
    Dieser Krieg, glaubt sie, wäre Deutschlands Untergang, da es zum allgemeinen Schlachtfeld werden würde.
    Anmerkung:
    Die SS wurde 1942 vergrößert, weil Himmler seine Macht ausweiten wollte. Ihre Brutalität wurde infolgedessen durch Zwangsrekrutierte gemildert.
    Anmerkung:
    Unseren Marine-Experten zufolge hat die Bombardierung die deutsche Rüstungsproduktion nicht aufhalten können; zwischen 1942 und 1944 verdreifachte sich die Produktion sogar.
    Anmerkung:
    In Berlin stellt sich nun die Frage, ob Berlin je wieder zu einer Großstadt aufgebaut werden wird. Sollte Deutschland in vier Verwaltungseinheiten aufgeteilt bleiben, so wie es derzeit der Fall ist, bleibt Berlin eine ruinierte, unproduktive Stadt. In jedem Fall wird es Jahre dauern, bis Berlin die Trümmer wegräumen und das Material zum Wiederaufbau beschaffen kann.
Bremen
30. Juli 1945
    Ankunft aus Berlin in Bremen am Vormittag. Am Flughafen von Konteradmiral Robinson empfangen, dem früheren Kommandanten der [USS] Marblehead. Mittagessen und dann weiter nach Bremerhaven – einem großen Hafen an der Nordsee, in dem jetzt viele Schiffe liegen, darunter die Europa.
    Das Umland von Bremen ist hübsch, die Ernte war üppig. Man sieht viele Rinder, Schafe und Hühner. (Die Holländer und Franzosen behaupten, man hätte sie ihnen gestohlen.)
    Die Menschen waren dick und rosig, kein Vergleich zu den blassen, traumatisierten, verängstigten Berlinern. Der Krieg hat kaum Spuren hinterlassen – es gab keine Bombenschäden. Diese Gegend wird dieses Jahr gut überstehen.
    Im Hafen von Bremerhaven lagen unzählige erbeutete Schiffe. Als wir ankamen, wurde auf der Europa gerade ordentlich Dampf aufgemacht, da sie nächsten Monat auslaufbereit sein soll, um in Amerika zu einem Truppentransporter umgebaut zu werden. An Bord befinden sich nach wie vor Besatzungsmitglieder, die schon bei früherenTransatlantikfahrten dabei waren,

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