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Unter feindlicher Flagge

Unter feindlicher Flagge

Titel: Unter feindlicher Flagge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sean Thomas Russell
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geheimnisvolle Bündel öffnete, fiel sein Blick auf eine Ausgabe von Motteuxs Übersetzung des Don Quichotte, ergänzt durch einen kurzen Brief von Mrs Hertle.
 
Mein lieber Leutnant Hayden,
 
Miss Henrietta Carthew schickte mir diesen recht umfangreichen Band, mit der Bitte, ich möge Ihnen das Buch bei unserer nächsten Begegnung geben. Da ich aber nicht weiß, wann wir uns wiedersehen werden, und befürchten muss, dass es noch dauern wird, schicke ich Ihnen das Buch mit der Post. Ich wünsche Ihnen, dass Sie an diesem Geschenk viel Freude haben werden. Erfreuen Sie sich nicht nur an dem Geist, in dem es geschenkt wurde, sondern auch auf die vielen erbaulichen Stunden, die ein Werk dieses Umfangs Ihnen schenken wird.
     
Mrs Robert Hertle
    Es handelte sich, zugegebenermaßen, um eine etwas betagte Ausgabe. Hayden nahm das Buch in die Hand und strich mit den Fingern über den Einband. Zu seiner Enttäuschung gab es keine Widmung, dafür aber ein Lesezeichen aus Leder, das zwischen den Seiten herausragte. Hayden schlug das Buch an dieser Stelle auf. Jemand hatte ein kleines Bild angefertigt, auf dem ein Ritter auf seinem Pferd mit einer Lanze in der Hand gegen etwas anritt, das wie eine Windmühle aussah - es war schwierig zu erkennen. Aus einem unerfindlichen Grund begann Hayden auf der Seite zu lesen und stieß bald auf folgende Zeile: Das ist die Natur der Frauen - nicht zu lieben, wenn wir sie lieben, und zu lieben, wenn wir sie nicht lieben.
    Hayden schlug das Buch zu und starrte auf den abgenutzten Einband. War das nun Zufall gewesen, oder hatte Henrietta beabsichtigt, dass er genau diese Zeile las? Vielleicht war dies eine Botschaft von dem bereits lange verstorbenen Cervantes - oder von seinem glücklosen Helden. »Don Quichotte der See« hatte sie ihn genannt, aber er hatte den Eindruck gewonnen, dass sie das Don Quichottehafte bei Männern mochte. Er beschloss, das Buch so anzunehmen, wie Mrs Hertle es ihm ans Herz gelegt hatte - als ein Zeichen der Gunst. Als Ermutigung. Der Tatsache, dass er ziemlich leicht zu ermutigen war, wollte er an diesem Tag keinen Glauben schenken.
    Einige Wochen nachdem Hayden an Bord der Themis gekommen war, erhielt Leutnant Landry einen Brief von Kapitän Hart, in dem Hart ankündigte, er werde in drei Wochen kommen und erwarte, dass das Schiff bereit zum Auslaufen sei. Um alle Arbeiten fristgerecht abschließen zu können, wurde die Arbeitszeit verlängert. Hayden behielt die Takler im Blick und verbrachte viel Zeit damit, den Neulingen an Bord die Kunst der Seemannschaft beizubringen.
    »Wie kommt es«, fragte er Landry, als sie in der Offiziersmesse eine Mahlzeit einnahmen, »dass wir so wenig echte Seeleute an Bord haben? Das ist mir noch nie untergekommen.«
    Landry zuckte mit den Schultern. »Wir nehmen, was die Presskommandos uns liefern, Mr Hayden. Erstklassige Seeleute sind rar.«
    Auf der Themis herrschte jedenfalls ein bedenklicher Mangel, dessen war Hayden sicher. Nach der Abendmahlzeit, als Hayden gerade die Treppe zum Quarterdeck nahm, hörte er ein Deck über sich die Stimme des jungen Wickham. »Ich habe in einigen Wochen mehr bei Mr Hayden gelernt als im ganzen letzten Jahr. Er ist ein erfahrener Offizier, unser Mr Hayden. Was meinen Sie, Mr Barthe?«
    »Das wird der Kommandant ihm schon austreiben«, grollte der Master.
    Wochen vergingen und vertrieben den Sommer. Hayden war zufrieden, dass wenigstens einige in der Mannschaft etwas gelernt hatten. Es war leider nicht die Mehrheit, aber ein paar Männer schienen stolz auf das zu sein, was sie erreicht hatten, um das Schiff auf Vordermann zu bringen. Diese Männer waren es auch, die den Willen erkennen ließen, stets volle Leistung zu bringen. Es kam zu keinen »Unfällen« mehr, und keiner wurde an Bord verprügelt - zumindest bekam Hayden es nicht mit. Tawney erfüllte wieder seine Aufgaben, doch auf Hayden wirkte der Mann zögerlich und stumpfsinnig. Der Schiffsarzt hatte sich Tawneys Meinung angeschlossen, dass er sich nicht mehr an die Nacht erinnern konnte, in der er verprügelt worden war. Aber Hayden glaubte, dass der Mann eingeschüchtert und ängstlich war.
    Die Takelage wurde vervollständigt. Das Schiff wurde geschliffen und gestrichen. Die Bereiche an Deck, die undicht aussahen, wurden kalfatert - doch Hayden ahnte, dass es noch Schwierigkeiten geben würde, da undichte Stellen immer schwer zu entdecken waren. Nach und nach hielt an Bord Ordnung Einzug. Vorräte wurden vom Proviantmeister und den

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