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Unter feindlicher Flagge

Unter feindlicher Flagge

Titel: Unter feindlicher Flagge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sean Thomas Russell
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Schauerleuten verstaut, das Schiff mit Trinkwasser versorgt. Die Tage im September wurden kürzer, aber der Sommer wollte sich noch nicht vom Herbst vertreiben lassen, und so blieben die Tage bis zum Monatsende angenehm warm. Der Regen blieb aus.
    Als eines Nachmittags die Segel vorbereitet wurden, kam die Pulverbarkasse längsseits, und die Männer riefen lauthals, alle offenen Feuer müssten gelöscht werden. Die beunruhigende Prozedur, Schießpulver zu verladen und zu verstauen, dauerte länger, als man meinte, da höchste Vorsicht geboten war. An Bord machte sich eine quälende Unruhe in der Mannschaft breit, bis die Fässer alle in den Magazinen lagen. Erst dann atmete die Besatzung auf. Hier und da erschien wieder ein Lächeln auf den Gesichtern, und man ging weiter seiner Arbeit nach.
    »Ist das ganze Pulver verstaut, Mr Barthe?« Die beiden Offiziere und Wickham standen an der Reling und sahen, wie die Männer der Pulverbarkasse die Leinen losmachten.
    »Das war das letzte Fass, Mr Hayden.«
    »Dann bin ich ja froh. Wir haben zwar fast täglich mit Pulver zu tun, aber das Verladen löst immer eine Unruhe in mir aus, ich kann mir nicht helfen.«
    »Mir geht es genauso, und ich empfinde den Moment auch als seltsam.«
    Hayden griff in seine Tasche und suchte ein Tuch, um sich den Schweiß von der Stirn zu tupfen, fand aber stattdessen ein gefaltetes Stück Papier. Als er es auseinanderfaltete, fiel sein Blick auf eine grobe Zeichnung - eine Karikatur: ein Matrose mit einer Schreibfeder setzte den Namen »Jack Tar« auf eine lange Liste, die mit »Bittschrift« überschrieben war. Doch gleichzeitig strich ein zweiter Mann, der als »Kommissar der Lords« gekennzeichnet war, das Wort »Bittschrift« durch und schrieb stattdessen »Todesurteil« hin.
    Hayden starrte einen Moment lang auf die skurrile Zeichnung.
    »Ist etwas nicht in Ordnung, Mr Hayden?«, fragte der Master.
    »Ich habe gerade diesen Zettel in meiner Rocktasche gefunden, aber ich bin mir sicher, dass er heute früh noch nicht in der Tasche war, als ich mein Tuch hineinsteckte.« Er reichte Barthe die Zeichnung, der plötzlich sehr ernst wurde.
    Wickham bemühte sich, Desinteresse zu zeigen, schielte dann jedoch nach der Zeichnung. Barthe gab dem Leutnant den Zettel zurück, der ihn Wickham reichte.
    »Was hat das zu bedeuten?«, wunderte sich Wickham. »Ich meine, warum war der Zettel ausgerechnet in Ihrer Tasche?«
    »Das bedeutet, dass irgendein Schlaukopf ihn in meine Tasche gesteckt hat. Nur wieso, das ist die Frage. Weiß einer von Ihnen etwas über eine Bittschrift, die im Umlauf ist - innerhalb der Mannschaft oder innerhalb der Flotte?«
    Beide Männer schüttelten den Kopf, aber Barthe wirkte auf einmal unruhig und trat von einem Bein aufs andere. Röte stieg ihm ins Gesicht.
    »Rufen Sie die Offiziere und jungen Gentlemen in die Messe, Mr Barthe.«
    Der Master tippte an seinen Hut und eilte davon. Hayden und der junge Midshipman blieben allein an der Reling. Hayden versuchte sich zu erinnern, ob ihm am Morgen jemand so nah gekommen war, um ihm diesen Zettel unterzuschieben. Aber sosehr er auch grübelte, er konnte sich nicht vorstellen, dass er dies nicht bemerkt haben sollte.
    »Die Männer, die an den vorderen Stagsegeln arbeiten, Mr Wickham, kennen Sie die?« Hayden hatte noch nicht alle Namen der Besatzung gelernt.
    »Das sind Starr, Worth und Marshall, Sir.«
    »Wissen Sie, was diese Männer beruflich gemacht haben, bevor sie an Bord der Themis kamen?«
    Wickham zupfte sich am Ohr. »Starr arbeitete in der Fischerei, Dorsch und Schellfisch, glaube ich. Der war sein ganzes Leben auf See. Marshall schuftete in einem Kalksteinbruch und meint, im Vergleich zu der Arbeit sei das Leben bei der Navy wie Urlaub. Und Worth hat eine Lehre gemacht als ein Adam Tiler.«
    »Als ein Adam Tiler ...?«
    »Ich glaube, ja, Mr Hayden. So hat er es mir jedenfalls gesagt.«
    »Und was macht man als Adam Tiler?«, forschte Hayden nach.
    Wickham sah ein wenig verlegen aus. »Bessert er vielleicht Dächer aus?«
    Hayden unterdrückte ein Lächeln. »Ein Adam Tiler ist der Kamerad einer Gabel, besser bekannt als Taschendieb. Wenn die Gabel ihr Opfer aller Wertgegenstände beraubt hat, leitet sie die Waren an einen Adam Tiler weiter, der sich damit davonmacht.« Hayden drehte sich so, dass er die Männer besser sehen konnte, die vorne an den Segeln arbeiteten. Alle drei waren am Morgen in seiner Nähe gewesen, als die Pulverbarkasse die Ladung an Bord hievte.

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