Unter feindlicher Flagge
unangenehmen Stoß versetzte.
»Mr Barthe?«, sagte Hayden laut und vernehmlich. »Wen haben Sie noch für das Gangspill eingeteilt? Rufen Sie die Männer auf!«
Der Master spulte eine ganze Reihe Namen ab.
»Smyth, Marshall«, wiederholte Hayden. »Nehmt eure Plätze ein.«
Langsam gingen die Männer auf ihre Posten. Hayden fiel auf, dass es einige in der Mannschaft gab, die andere antrieben. Drohungen wurden ausgestoßen. Die Besatzung war offensichtlich gespalten. Ein Mann stolperte und fiel auf die Knie - bestimmt war er gestoßen worden, aber er rappelte sich wieder hoch und ging an seinen Platz. Der Schiffszimmermann trat mit seinen Leuten vor, denn auch sie waren gefordert.
Wickham hielt sich bei den Männern auf, ermahnte sie und drohte einigen, er werde sich die Namen notieren, falls die Männer sich weigerten. Hayden schaute nach achtern und sah, dass sich die meisten Offiziere und jungen Gentlemen an der Heckreling eingefunden hatten - offiziell nicht auf der Wache, bis man sie rief. Landry hatte seine Hilfe angeboten, aber die Matrosen ignorierten des Öfteren seine Befehle und warteten, bis entweder Hayden oder Wickham ihnen dieselben Anweisungen gaben.
Hawthorne ließ alle wachhabenden Seesoldaten antreten und führte diese kleine Kompanie bewaffnet übers Deck - es waren zwar nur sechs Mann, aber die Parade der Rotröcke blieb nicht unbemerkt.
Selbst als das Gangspill voll bemannt war, standen die Matrosen passiv da, und keiner stemmte sich gegen die Spaken. Hayden trat zu den Männern.
»Ich habe Sie alle mit Namen gerufen«, sagte er und sprach ruhig, aber mit fester Stimme. »Und das werde ich wiederholen, wenn Sie sich den Befehlen widersetzen.«
Franks steuerte schon aufs Gangspill zu, den Stock zum Schlag erhoben, aber Hayden hielt ihn mit einer deutlichen Geste auf.
»Mr Franks, ich bitte Sie.« Hayden wandte sich wieder an die Männer am Gangspill. »Wenn es zu einem Kriegsgericht kommt und feststeht, dass Sie sich Befehlen widersetzt haben, dann sehe ich mich gezwungen, Ihre Namen an den vorsitzenden Richter weiterzuleiten. Ihnen allen wurden die Kriegsartikel verlesen. Denken Sie nach, ob Ihre Sache Ihr Leben wert ist, denn das ist das Risiko, das Sie eingehen.«
Es war ein entscheidender Moment. Den Forderungen einer einheitlich vorgehenden Mannschaft wäre man gewiss entgegengekommen - die Admiralität hatte das schon zuvor getan und für gewöhnlich unpopuläre Offiziere abgesetzt -, aber wenn nur ein Teil der Mannschaft revoltierte, würde man hart gegen diese Männer vorgehen. Und das wussten die Matrosen nur zu gut. Hayden musste die Ängste der Männer ausnutzen, obwohl er sich schämte, zu solchen Methoden greifen zu müssen.
»Mr Franks, machen Sie ein Boot klar. Ich schicke Mr Archer zum nächsten Schiff. Wir müssen die anderen wissen lassen, dass wir es hier bald mit einer Meuterei zu tun bekommen.«
»Aye, Mr Hayden.«
Das verfehlte seine Wirkung nicht. Die Matrosen schauten einander ratlos an. Haydens Worte hatten ins Schwarze getroffen.
»Wer will an der Rahnock in die Höhe gezogen werden wie Mick McBride - tretend und zappelnd?«, fragte Stuckey. »Das blüht euch nämlich. Soll ich Mrs Starr und den Kleinen erzählen, dass du für eine gute Sache gestorben bist, wie, Jimmy?«
Hayden konnte förmlich spüren, wie der Wille der Matrosen schwankte. In diesem Moment ließ der Wind urplötzlich nach. Nur eine leichte Brise strich mal hierhin, mal dorthin über Deck. Die Männer blickten geradeaus. Keiner nahm mehr den Mann neben sich wahr, alle sahen sich dort oben in den Lüften, den Strick um den Hals gelegt.
Stuckey nickte Cole zu, und die beiden stemmten sich mit der Brust gegen die Spaken und drückten. Einen Augenblick lang tat es ihnen niemand gleich, doch dann legte sich auch Starr ins Zeug - ein anderer folgte, dann noch einer. Die Männer suchten mit den bloßen Füßen Halt auf den Planken und drückten die Spaken nach vorn. Mit einem unheimlichen Quietschen spannte sich das Ankertau. Der Wind frischte wieder auf, kehrte zurück, und eine Böe wehte die nebelartige Gischt über die Reling.
Hayden atmete hörbar aus. Um ihn herum begaben sich die Männer auf ihre Posten, die Mienen von Furcht und Verzweiflung gezeichnet.
Wickham trat neben den Ersten Offizier.
»Sie haben es geschafft, Mr Hayden«, sagte der junge Mann leise.
»Wir sind noch nicht aus dem Sund hinaus.« Hayden fing den Blick des Bootsmanns ein. »Mr Franks? Prügelstrafen werden uns
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