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Unter feindlicher Flagge

Unter feindlicher Flagge

Titel: Unter feindlicher Flagge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sean Thomas Russell
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brachen sich an Hawkers Point. Langsam, Schlag um Schlag, stabilisierte sich die Themis im stärker werdenden Wind. Im abnehmenden Tageslicht ließen sie Penlee Point leewärts liegen. Regen prasselte an Deck, als die Fregatte, die Toppsegel eingeholt, in den Kanal bog.
    Hayden spürte förmlich, wie die Anspannung von ihm abfiel. »Sie haben die Wache, Mr Landry.«
    »Aye, Mr Hayden.«
    »Der Ausguck soll aufpassen. Mindestens ein Dutzend Schiffe verließ den Sund mit uns. Mr Hawthorne hat mehr seiner Leute an Deck postiert als sonst, behalten Sie also einen klaren Kopf heute Nacht. Wir hatten schon genug ›Unfälle‹.«
    Der kleine Leutnant tippte an seinen Hut, eine mechanische Geste. Selbst in der zunehmenden Dunkelheit konnte Hayden noch die Furcht in Landrys Augen sehen.
    Unter Deck traf Hayden in der Offiziersmesse auf Muhlhauser, Hawthorne und Griffiths, der ein Amputationsmesser an einem kleinen Schleifstein schärfte. Der Leutnant der Seesoldaten hob eine Karaffe hoch. »Ich verstehe nicht viel von Medizin, Mr Hayden, aber ich glaube, unser Doktor hier würde uns jetzt einen kleinen belebenden Schluck verschreiben, oder?«
    »Gott, ja - wenn der Doktor es empfiehlt«, erwiderte Hayden, und Hawthorne füllte ein Glas. Hayden zog den nassen Uniformrock aus, den Perseverance gleich an einem Haken neben dem Ofen aufhängte.
    »Die Beharrlichkeit nimmt einen langen Weg in Kauf«, meinte Hawthorne, als sich der Bursche entfernte.
    Hayden ließ sich lachend auf einen Stuhl sinken. »Nun, wir sind sauber in den Kanal gefahren. Sind Ihre Seesoldaten alle auf unserer Seite, Mr Hawthorne? Ich fürchte, unter den Matrosen wird es zu Beschuldigungen und Raufereien kommen. Wir wollen nicht, dass daraus handfeste Auseinandersetzungen werden.«
    »Ich glaube, dass meine Leute loyal sind, Mr Hayden.«
    »Dennoch, lassen Sie die Männer, denen Sie wirklich vertrauen, die Waffenkammer und das Pulvermagazin bewachen.«
    »Das ist bereits geschehen, Sir.«
    Hayden nickte dankend und wandte sich dann dem Zivilisten zu, der ein wenig unpässlich zu sein schien.
    »Wie fühlen Sie sich, Mr Muhlhauser?«
    »Besser, Sir, danke.«
    »Er hat bereits die Fische gefüttert«, erklärte Hawthorne mit einem Grinsen, »und danach ging es ihm besser.«
    Da es Hayden nach dem Sturm an Deck rasch zu warm in der beheizten Offiziersmesse wurde, entschuldigte er sich und zog sich in seine Kabine zurück, um seine Weste abzulegen. Er machte gerade die Knöpfe auf, als jemand prustend und keuchend in die Messe eilte - Barthe, wie Hayden vermutete. Er hörte das Rascheln von Kleidung und dann das Knarren eines Stuhls.
    »Vier Schlag schafften wir gegen die Flut«, hörte er den Master protestieren, »und fielen jedes Mal wieder zurück. Mit dieser Seemannskunst erlangt man nicht das Vertrauen einer Mannschaft.«
    Eine unangenehme Stille trat ein.
    »Ist Landry zum Kommandanten gegangen, um ihm zu berichten, was geschehen ist?«, fragte sich Barthe laut.
    »Vorsicht, Mr Barthe«, warnte Hawthorne ihn.
    »Der kleine Spitzel ist nicht hier«, entgegnete Barthe. »Nun, Doktor, was sagen Sie nun? Habe ich Sie nicht gewarnt, dass wir es bald mit solchen Kapriolen zu tun bekommen?«
    Jemand flüsterte warnende Worte. Hayden wusste nicht, woher genau die Stimme kam. Erst jetzt trat Hayden aus seiner Kabine, und Barthe wäre fast aufgesprungen, als er den Ersten Leutnant erblickte.
    »Was meinen Sie mit ›Kapriolen‹, Mr Barthe?«, fragte Hayden ihn direkt.
    Barthe schaute Hilfe suchend von einem zum anderen.
    »Mr Barthe vertritt die Theorie, dass sich die Mannschaft eine Zeitlang kurz vor einer Meuterei befand«, sagte der Doktor und schleifte die Stahlklinge weiter am Stein, »und nur auf den passenden Moment gewartet hat. Dann werden sie die Offiziere töten und - nun, ich weiß nicht genau, was sie dann anderes tun werden als baumeln.«
    »Und hatten wir nicht vorhin fast eine Meuterei, Doktor?«, sagte Barthe. Der Master stand auf und schritt vor dem Tisch auf und ab. Das gleichmäßige Schwanken des Schiffes schien ihm nichts auszumachen, da er schon so viele Jahre zur See fuhr.
    »Ich war unten bei meinen Patienten, Mr Barthe. Kampflärm habe ich nicht gehört. Habe ich da etwas verpasst?«
    »Mr Barthe«, unterbrach Hayden den Schiffsarzt, »wie kommt es, dass Sie nichts sagten, als ich neulich alle Offiziere in die Messe bat?«
    Barthe schritt weiter auf und ab, die Hände hinter dem Rücken verschränkt wie kleine Schwingen - mit den Armen

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