Unter feindlicher Flagge
im Moment nicht helfen. Das könnte sich sogar gegen uns wenden. Sagen Sie Ihren Leuten, sie sollen sich ruhig verhalten. Und sagen Sie Mr Archer, dass es nicht nötig ist, zu einem anderen Schiff zu rudern - noch nicht.«
»Aye, Sir.« Franks eilte über das Deck und gab seinen Männern Zeichen.
Hayden schaute hinauf zu den Männern an den Segeln.
»Die werden doch wohl hoffentlich wissen, dass sie die Segel kommen lassen müssen, sobald sich der Anker hebt, oder?«, fragte Wickham.
»Das will ich doch hoffen, Mr Wickham. Wenn sie es nicht tun, sind wir im nächsten Augenblick an der Küste.«
Das Gangspill drehte sich, und schon bald löste sich der Anker und zog eine dunkle Spur Schlick hinter sich her, als er die Wasseroberfläche durchbrach. Er wurde von mürrischen Matrosen eingeholt, und manch eine Anschuldigung und geflüsterte Drohung wurde ausgestoßen. Unter anderen Umständen hätte Hayden lautstark Ruhe verlangt, aber die Atmosphäre an Deck war aufgeladener als Schießpulver. Den ohnehin schon schwelenden Zorn der Männer wollte Hayden nicht noch schüren.
Zu Haydens Erleichterung wurden Segel gesetzt. Ein Ruck durchlief das Schiff, dann nahm es Fahrt auf.
Hayden ging nach achtern und schritt an Hawthornes Seesoldaten vorbei. »Danke, Mr Hawthorne. Ich denke, Sie können diesen Männern jetzt wieder ihre Aufgaben zuweisen.«
Hawthorne tippte an seinen Hut. Auch er sah erleichtert aus, wie alle anderen an Bord. Denn ihm wurde bewusst, dass seine Leute kurz davor gewesen waren, die Musketen auf die eigenen Männer zu richten.
Hayden begab sich zum Steuerrad, während die Offiziere, die im Moment nicht im Dienst waren, wieder unter Deck gingen und kaum in Haydens Richtung blickten. Sie wisperten untereinander und beschuldigten sich gegenseitig. Barthe, Hawthorne, Wickham und Hayden standen an Backbord an der Reling und schauten hinaus aufs Meer.
»Das war knapp«, sagte Wickham und atmete aus.
»Verdammt knapp«, pflichtete Hawthorne ihm bei. Er umschloss die Reling mit beiden Händen und wippte ein paar Mal mit dem Oberkörper leicht vor und zurück. »Und wo war unser tapferer Kommandant während dieser Sache? In seiner Koje! Wären Sie nicht entschieden aufgetreten, Mr Hayden, dann wäre die Situation außer Kontrolle geraten. Das glaube ich wirklich. Gott sei Dank haben sich Mr Franks und seine Leute nicht gedrückt.« Der Leutnant der Seesoldaten wurde plötzlich still, und ein Ausdruck von Überraschung lag in seiner Miene. »Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal die Vorschriften von Kapitän Josiah Hart aufrechterhalten würde.« Er schüttelte den Kopf. »Die Pflicht ist doch eine seltsame Herrin.«
Hayden warf einen Blick auf Mr Barthe. Der Mann hatte seine Pflicht getan und den Ersten Leutnant nach bestem Wissen unterstützt, aber jetzt sah er aus wie ein Mann, dessen Kind gestorben war. Er blickte so gequält drein, dass Hayden glaubte, der Mann würde jeden Augenblick in Tränen ausbrechen.
Dann eilte Landry über das Quarterdeck, nahm den Hut ab und fuhr sich mit den Fingern durch sein schütteres Haar. Er war so aufgeregt, dass er nicht ruhig stehen bleiben konnte. »Nun!«, brachte der kleine Leutnant hervor. »Nun! Das war knapp vor einer Meuterei.«
»Ja, Landry«, antwortete Hawthorne und bedachte den Offizier mit einem Blick voller Ablehnung, »wir haben Ihren Helden vor den Konsequenzen seiner eigenen Torheit bewahrt.«
»Mr Hawthorne«, mahnte Hayden. »Unser aller Gemüter sind erregt. Keiner soll jetzt Dinge sagen, die er später bereut.«
Die Wut und die aufgestaute Verzweiflung der Männer war mit Händen greifbar, aber keiner hatte seinen Gefühlen nachgegeben. Stattdessen hatte man sich auf Werte wie Vernunft und Pflichtbewusstsein besonnen.
»Mr Hawthorne sagt die Wahrheit«, grummelte Barthe. »Wir haben Kapitän Hart gerettet, damit er uns zum Teufel jagen und uns bei jeder Gelegenheit zusetzen kann. Dahin bringt einen die Treue zu England.« Er spuckte über die Reling. »Gott schütze den König.« Der Master wandte sich zum Gehen und überquerte das Deck, um mit den Männern am Steuer zu sprechen.
»Wir müssen uns alle unseren Pflichten zuwenden.« Hayden sah dem Master nach, ein wenig schockiert von der Verwünschung. »Ich bleibe an Deck, bis wir im Kanal sind. Bleibt wachsam, wir haben es noch nicht geschafft.«
Die Themis verließ zusammen mit einem Dutzend Schiffen in dem leichten Sturm die Bucht. Weißhäuptige Wogen strömten durch den Sund und
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